Einführung
Diese Designstudie zum Thema 70cm Nurflügel ist auf Anfrage einiger
Leute entstanden. Dabei stand zunächst die Idee im Vordergrund, einen
Speed 400 tauglichen Nurflügel zu entwickeln. Dabei sollten sowohl
die Profilierung "flächenbelastungsfest" als auch die Flügelauslegung
wirklich "speedwendenfest" werden. Was das heißt? Schonmal
versucht, eine "Extase" mit 75g/dm² zu fliegen? Das wird
ein einschlagendes Erlebnis. Wer den Start aus unerfindlichen Gründen
überlebt, darf in der ersten Speedwende kräftig ziehen. Wer
das getan hat, greift beherzt zum Klappspaten, um wenigstens den Brushless
Motor auszugraben. In etwa 0,3m Tiefe sollte man auf einem Feldweg fündig
werden, im frisch gepflügten Acker empfehle ich eine Ausgrabungstiefe
von mindestens 0,5m, um auch die letzte Akkuzelle bergen zu können.
Die Modellreste dürften den Weg in die Restmülltonne nicht mehr
geschlossen finden, da auf über 100m² verteilt...
Ich hoffe, daß damit klar ist, um was es geht: ein ausbaufähiges Pylonkonzept, das im Endeffekt auf Wettbewerbstauglichkeit hinauslaufen soll. Dabei müssen alte Fehler und Sünden umgangen werden, ohne dabei in die falsche Richtung zu laufen. Der 60g/dm² Nurflügel ist tot. Es lebe der 75g/dm² Nurflügel! Nun, das wäre ja schön blöd, wenn die Kiste erst ab 75g/dm² rennen würde. Deswegen soll das "neue" Konzept sowohl mit geringer, als auch mit großer Flächenbelastung fliegen können und das auch noch möglichst schnell. Deswegen rechnen wir erstmal eine Runde. Wir beginnen mit der Profilwahl und schlagen dann den Bogen zur Flügelauslegung.
Es geht hier um Pylon, nicht um irgendeinen Jammerflieger, mit dem man Nachmittags im Foyer eines Einkaufszentrums seine Runden drehen kann. Slowies sind ja ganz nett, aber wir wollen das Gegenteil: Die Lufthoheit am Platz. Damit kommen nur Profile in Betracht, die ihr unteres Laminardelleneck mindestens bei ca=0,0 haben. Wir fliegen zwar mit ca=0,1..0,05 aber manchmal müssen wir ja auch drücken, weil Böen unser Modell vom Kurs abbringen wollen. Ein Profil, dessen cw bei ca=0,0 schlagartig den Kühlergrill eines Rolls-Royce übertrifft, macht so viel Sinn wie ein Heckspoiler an einem Fiat Uno. Das schränkt die Profilwahl schon sehr deutlich ein, das schaffen nicht viele S-Schlagprofile.
Da es kein direkt passendes Profil gibt, nehmen wir uns ein Profilprogramm und basteln uns eins. Wer nun meint, ein CJ-3309 für Speedzwecke modifizieren zu müssen, sollte überlegen, ob nicht doch Slowflyer besser für ihn sind. Wir sind hier bei S-Schlagprofilen. Da kann man nicht so wild wie üblich herumbasteln, sondern muß sich in jedem Fall die Details anschauen, was da am Ende herauskommt. Das habe ich getan, die Geschwindigkeitsverteilung zeige ich hier nicht, das paßt schon, da könnt ihr mir ruhig vertrauen.
Hier sehen wir jetzt die Polare eines modifizierten S5020. Das ist genau
das, was wir für diesen Zweck suchen! Inzwischen gibt es was neueres,
das HS520. Beim Nachbau bitte das HS520
verwenden.
Wegen der Flächenbelastungsproblematik scheiden alle üblichen
Verdächtigen aus: MH44, MH45, MH60, MH64, EH1,5/9,... Die Liste ließe
sich beliebig fortsetzen. Die Erfahrung zeigt ganz klar, daß Speedwenden
mit hoher Flächenbelastung nur mit Profilen über 2,0% Wölbung
gut zu machen sind. Schonmal vom 60g/dm² Mythos gehört? Falls
nicht, gleich wieder vergessen. Wenn doch: Diese schwach gewölbten
S-Schlagprofile waren der Grund dafür. Die gehen wirklich nicht mit
75-100g/dm², einfach unfliegbar.
Speedwenden
Das Modell fliegt super, nagelt quer über den Platz. Wir genießen
den Speed. Nach rund 2 Sekunden Geradeausflug sollten wir das Platzende
erreicht haben. Sollte das nicht der Fall sein, fliegen wir entweder verbotenerweise
mal wieder auf dem Golfplatz nebenan oder haben ein Motorenproblem. Dann
greifen wir zum Telefon und rufen bei Hacker
an. Danach hatten wir mal ein Motorenproblem und überqueren den Platz
in unter 2s. In weiteren 1-2s bekommen wir ein kleines Navigationsproblem:
Zeit umzudrehen. Eine Speedwende muß her. Ganz eng. Die Luft muß
eine Ecke haben, wenn wir das Höhenruder loslassen. Der Flügel
weint, Kohlefaser trocknet derweil die Tränen und hält das Bruchrisiko
in Grenzen.
Speedwenden haben leider einen kleinen Nachteil: Sie fordern einen hohen Auftriebsbeiwert (ca) vom Flügel. Das Höhenruder entwölbt dabei unseren Flügel. Damit haben wir theoretisch und praktisch absolut keine Chance gegen Leitwerkler! Warum? Der Propeller bläst nicht nur sich selbst einen, sondern vor allem auch dem Höhenleitwerk. Das verdoppelt mal so eben den Maximalauftrieb am Höhenleitwerk, dank Staudruck. Daher auch die Minileitwerke, die man mit einer Lupe suchen muß. In Zahlen ausgedrückt: 20g Kurve ohne Motor, 30-40g mit. (Eine Boeing zerlegt es bei gut 2,5g!). Die Jungs reißen nur kurz am Höhenruder und die Luft hat ne Ecke. Dagegen können wir nicht anstinken, selbst wenn wir den Akku kurzschließen würden. Aber wir können was anderes tun: Wir sorgen wenigstens dafür, daß der Flügel, der nicht entwölbt wird, ordentlich Auftrieb erzeugt!
Zu unserem Glück sieht es allerdings so aus, daß dieser Kamikazekurvenstil dermaßen bremst, daß er im Wettbewerb schlichtweg keinen Sinn macht. Deswegen hält sich der Nachteil halbwegs in Grenzen, zumal wir im Geradeausflug mit cw-Werten glänzen können, bei denen den Leitwerklern die Tränen kommen. Klar, das Höhenleitwerk selbst und die damit verbundenen Interferenzwiderstände sind nicht vorhanden. Der Profil cw ist etwa gleichgroß. Daher können wir zurecht davon ausgehen, daß wir im Geradeausflug rund 10% weniger cw haben. Wir überholen auf der Geraden und versuchen die Nachteile in der Wende in Grenzen zu halten.
Wir sprachen gerade über den Auftriebsbeiwert in der Wende. Der sollte hoch sein. Wie bekommen wir den bei den mageren Verhältnissen in der Kurve (Höhenruder) möglichst groß? Flügelstreckung groß wählen. Wegen der 70cm Vorgabe hält sich diese Übung sehr in Grenzen, weil ja die Servos noch in den Flügel passen sollen. Ein echtes F5D Modell sollte logischerweise eher 900mm Spannweite haben und etwas weniger Innentiefe. 1000mm und Streckung 10 wäre mir etwas zu optimistisch, was die strukturellen Anforderungen betrifft. Pfeilflügel sind recht tricky, was das betrifft. Dann halt doch lieber etwas weniger Streckung und geringere Flächenbelastung. Umbringen tut uns das nicht. Ein Nurflügel mit 70g/dm² fliegt sich wie ein Leitwerkler mit etwa 85g/dm² (Flügel, nicht FAI). Das mal als grober Anhaltswert dafür, was man beim Handling zu erwarten hat.
Aber das hier ist kein Wettbewerbsmodell, sondern ein Spaß-Allrounder zum Rumheizen. Deswegen lassen wir alles ein wenig ruhiger angehen und gehen mit der Auslegung nicht auf volles Risiko. Der Minikiller hat eine Streckung von 5,9. Weniger sollte man wirklich nicht nehmen. Wir werfen einen Blick in mein höchst illegales Zuspitzungsdiagramm:
Streckung 6, Zuspitzung 0,8 wäre empfehlenswert. Das ist absolut auf der sicheren Seite, gute Flugeigenschaften garantiert. Oder anders gesagt: Das ist ein sehr konservativer Wert, weil ich nicht möchte, daß ihr wegen der Tipps auf meiner Website schlecht fliegende Nurflügel baut. Lest bei nächster Gelegenheit einfach meinen Artikel zum Thema Zuspitzung durch. Ist ganz lesenswert, denke ich. Wir sind aber immer noch beim Thema Speedwende, wenn ich mich recht entsinne...
Speedwende und Verwindung
Die Erfahrungen und Rechnungen zeigen ganz klar: Verwindung ist nichts,
wofür man sich schämen muß. Auch nicht bei einem Speedmodell.
Die Speedwende beim Nurflügel geht nur dann wirklich eng, wenn genügend
Verwindung vorhanden ist. Ja, es war ein schmerzhafter, tränenreicher
und teurer Lernprozeß, diese Erkenntnis zu erlangen. Das ist sehr
interessant, weil der Bauch ein zärtliches "niemals" brummt,
wenn es um viel Verwindung und Speed geht, während der Kopf nach
ein paar Rechnungen ganz anderer Meinung ist: "paßt schon".
Jetzt spielen wieder meine F5B Erfahrungen mit herein, die bei der Wendenproblematik ordentlich Verwindung nahelegten: -2,0° hat die Sexxy! Damit gehen die Wenden wirklich zackig und eng. Wer es nicht glaubt, kann ja ruhig mal -1,0° verwenden. Vor dem ersten Start werde ich mir am Platzrand einen Bunker bauen und dem Treiben mit dem Fernglas zuschauen. Der Kaffee schmeckt wirklich doppelt so gut, wenn man nicht selbst abstürzt, sondern anderen Leuten dabei zusehen kann!
Zuspitzung und Verwindung
Wir sind immer noch bei der Speedwende. Ja, wann hört denn der endlich
damit auf, mag sich der eine oder andere denken. Gleich. Versprochen!
Die Verwindung muß recht hoch sein, um in der Wende unkritische
Flugeigenschaften zu haben und zugleich enge Wenderadien realisieren zu
können. Das Zuspitzungsdiagramm geht sicherheitshalber von einem
eher geringen Auslegungs-ca aus oder anders gesagt von relativ wenig Verwindung.
Ich kenne euch ja inzwischen Jungs. Was Verwindung anbelangt, seid ihr
so knauserig, daß Schotten und Schwaben die reinsten Verschwender
sind. Ihr stürzt lieber zweimal ab, bevor ihr sowas in euren Flieger
einbaut. Diesmal gebe ich aber die Route vor und die heißt ganz
klar: mindestens -2,0°! Das ist nicht viel. Gerade soeben das, was
man wirklich braucht, keinen Pfennig mehr. Am liebsten würde ich
euch -3,0° verschreiben, weil dann auch ein leicht verzogener Flügel
nicht zwangsläufig in einer Katastrophe endet, aber dann würdet
ihr das Modell gar nicht erst bauen. Also -2,0°.
Wenn man eine etwas größere Verwindung baut, darf man von den Flugeigenschaften her auch etwas mehr Zuspitzung einbauen. Und genau das habe ich getan: 0,67. Was die Auftriebsverteilung betrifft, sind eher 0,7..0,8 anzuraten, aber die Flügelstruktur ist besser und effizienter, wenn man etwas stärker zuspitzt. Wie ihr seht, vermische ich hier gerade strukturelle mit aerodynamischen Argumenten. Sollte man nicht tun. Aber das ist nunmal konstruktionsgerechter Entwurf: Kompromiß aus allen Einflußfaktoren.
Es gibt nun Leute, die erhöhen nochmal die Spannweite: 800mm statt
700. Den Rest der Geometrie lassen sie identisch. Hier wird es jetzt gefährlich:
Mit höherer Flügelstreckung wird die starke Zuspitzung immer
kritischer! Schaut in das Zuspitzungsdiagramm!!!
Merkt es euch: Diese l=0,67 gehen nur, weil
der Flügel so gering gestreckt ist und zugleich -2,0°
verwunden! Wer das Konzept erweitert, sollte wenigstens wissen, was er
tut. Ich selbst werde das mal testen, kann aber keine Empfehlung dazu
aussprechen, weil das Risiko doch deutlich steigt, ein schlechtes Handling
zu bekommen. Bei 800mm entweder die Zuspitzung reduzieren (l=0,75..0,8)
oder eben die Verwindung erhöhen. Die Auftriebsverteilung wird aber
schlechter, wenn man mehr verwindet und die Zuspitzung beibehält.
Der "Minikiller" Entwurf ist eine ziemliche Punktlandung, wie
ihr hier seht. Spielräume sind zwar vorhanden, aber nicht so groß,
wie man meinen möchte.
Auftriebsverteilung
Wie üblich gehen wir jetzt noch schnell die Auftriebsverteilungsrechnungen
durch und schauen uns gemeinsam an, was ich da verbrochen habe. Hier wird
auch deutlich, daß wir mit der Zuspitzung wirklich an der Grenze
sind. Wir besprechen nur das nötigste, der Artikel hier ist eh schon
zu lang (liest niemand) und Auftriebsverteilungsrechnungen samt detaillierter
Auswertung und genereller Besprechung findet ihr bei MMs
Truckenbrodt.
Download: Minikiller.fmd (Tip: rechte Maustaste: "Ziel speichern unter")
Das ist die Auftriebsverteilung beim Auslegungs ca=0,17. Sieht gut aus, knappe 1% cwi Verlust (absolut lächerlich bei dem ca). Ein anderes Stabilitätsmaß ergibt ein anderes Auslegungs-ca. Darüber hinaus ist der wirkliche Nullmomentenbeiwert des S5020 nicht cm0=+0,0060 sondern leicht negativ. Der Rumpf erhöht noch einmal ein wenig die negative Bilanz, daß also im Endeffekt ein Auslegungs-ca von ca*=0,05..0,1 entstehen dürfte. Paßt perfekt. Man sieht aber schon deutlich die "unterelliptische" Tendenz, wie die graue Referenz Ellipse zeigt. Auf deutsch gesagt: Außenflügeltiefe zu klein oder Zuspitzung zu groß! Was lernen wir daraus? Das Zuspitzungsdiagramm ist besser, als es auf den ersten Blick aussieht.
Abrißverhalten
Wir haben uns ja mit Hilfe des einen oder anderen Diagramms bzw. Rechntools
diesen Flügel zusammengebastelt. Bisher sieht alles sehr gut aus:
Die Leistungen sind sicher in Ordnung, Profil und Flügelauslegung
passen prima zusammen. Jetzt geht es nur noch um das Handling: Ist die
Kiste gutmütig oder eine Katastrophe? Das können wir uns mit
Hilfe der Auftriebbeiwertsverteilung anschauen.
Der Strömungsabriß erfolgt bei etwa 30-40% Spannweite, wenn wir die Elevons mit -9,3° ausschlagen. So sieht also der Langsamflug aus. Alles bestens, es sollten keine Probleme auftauchen. Das ist einwandfrei.
Diese letzte Auftriebbeiwertsverteilung kann im freien Flug so nicht entstehen. Lediglich im Falle von Störungen (Böen) kann sowas kurzzeitig mal auftreten. Höhe Auftriebsbelastung, Klappen im Strak. Aber genau deswegen müssen wir auch diesen Ausnahmefall betrachten, obwohl das nur ein kurzer Durchgangszustand in dynamischen Flugbewegungen sein kann, der zudem noch extrem selten auftritt. Und hier sehen wir, daß es kritisch werden kann: Abriß bei etwa 50% der Spannweite! Das heißt, die Kiste nickt nicht mehr ab, sondern sogar schwach auf, wenn dieser Fall eintreten sollte.
Jetzt versteht ihr auch sicher meine Anmerkungen, daß die Zuspitzung l=0,67 zwar cool aussieht, aber bereits beim "Minikiller" grenzwertig werden kann, was das Flugverhalten betrifft! Ich erwarte nach meiner Erfahrung keine Probleme, trotz dieses etwas kritischen letzten Punktes. Das geht so in Ordnung. Gibt es aber Probleme, so muß gehandelt werden! Stichwort Grenzschichtzaun. Erhöht jemand jetzt die Spannweite bei ansonsten gleicher Geometrie, verschlechtert er damit die Verhältnisse etwas.
Ein kleiner Hinweis sei mir hier noch gestattet: Bei diesen beiden Diagrammen erkennt man den Unterschied zwischen einem Leitwerkler und einem Nurflügel in der Speedwende. Wenn man dasselbe lokale camax zugrundelegt, erreicht der Leitwerkler (2. Diagramm) trotzdem Dca=0,07 mehr! Und genau das ist der entwölbende Effekt des Höhenruders, von dem ich vorhin sprach, der die Verhältnisse in der Wende zugunsten des Leitwerklers verschiebt. Das wäre im übrigen wiederum ein Einsatzbereich für Winglets, aber dazu kommen wir gleich.
Pylon heißt Widerstand vermeiden. Winglets haben neben dem Profilwidertstand erhebliche Interferenzwiderstände. Deswegen scheiden profilierte Wingelts konventioneller Art vollkommen aus. Ich habe es getestet. Die Brettchen waren die schnellsten Wingelts von allen. Da deren Profil-cw deutlich höher ist als der des NACA 0006 (oder sonstwas), kommt nur der Interferenzwiderstand infrage, der den Nachteil für profilierte Winglets erzeugt. Deswegen lehnen wir uns ganz entspannt zurück und vertrauen auf das gute alte Zentralseitenleitwerk. Die SLW-Fläche dürft ihr euch gerne aussuchen, das kleinste gerade noch funktionierende ist die beste. Weil es im Propellerstrahl liegt, definiert primär die Landung das kleinstmögliche SLW.
Im Flugtest geht das ganz einfach: Kettensäge mitnehmen!
Da bekommen selbst die Turbinenflieger Angst. Deswegen also die Kettensäge. An sich würde ein Balsamesser genügen. Zu großes Seitenleitwerk montieren. Dann in den Flugversuch gehen:
Das sind die üblichen Katastrophenfälle. SLW verkleinern, bis einer nach dem anderen nicht mehr auftritt. Geringer gestreckte SLW brauchen mehr Fläche als höher gestreckte. Die Massenverteilung spielt eine ganz gehörige Rolle! Schwere Flügel sind sehr böenanfällig und brauchen allein deswegen schon ein größeres SLW. Baut also leichte Flügel. Fliegen wirklich besser. Aus den genannten Gründen gebe ich keine SLW Größe vor. Rechenwerte sind hier wirklich blanker Unsinn.
Nun aber doch noch ein kleiner Hinweis zum Thema Winglets: Wer die Wenderadien reduzieren will, kommt um Winglets kaum herum, da sie ganz deutlich den cAmax des Flügels erhöhen. Da wir ein kleines cA-Problem haben, kann das durchaus die rettende Maßnahme sein. Wir handeln uns allerdings mehr cw im Geradeausflug ein, was aber durchaus eine lohnende Investition sein kann, wenn der Widerstand in den Wenden damit reduziert werden kann, bei gleichem Wenderadius wohlgemerkt. Damit kommt man also mit etwas mehr Speed aus der Kurve, verliert leider auf der Geraden wegen des Widerstands diesen Speedvorteil wieder. Nein, sinnvoll rechnen kann man das nicht. Wer anderer Meinung ist, sollte erstmal den rechnerischen (!) Beweis antreten, daß Brettchenwinglets erheblich schneller sind als die profilierte Variante.
Das mißfällt mir zwar, aber alle 3 von mir getesteten Modelle waren mit Brettchenwinglets erheblich schneller als mit "profilierten". Vor allem in der vertikalen Endgeschwindigkeit war das mehr als augenfällig: Die Brettchen hatten noch nicht einmal ihre Endgeschwindigkeit erreicht, da mußte schon abgefangen werden, weil die Höhe abgebaut war. Die profilierten rannten hingegen gegen eine Speedmauer: Man kann den Endlossturz sicher und ohne finale Destrukturierung praktizieren. Insofern ist es wie immer im Leben: Nichts genaues weiß man nicht und im Zweifelsfall testen.
Wer am Limit mit der Flächenbelastung liegt, sprich mit Problemen beim Start und in den Wenden zu kämpfen hat, dem sind Winglets natürlich anzuraten. Die minimale Start- und Landegeschwindigkeit nimmt merklich ab. Dann sind Winglets sicher die einfachste Modifikation, um das Modell an die persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Jemand, der nicht der große Werfer vor dem Herrn ist und aus Imagegründen auf das Bungee verzichten will, sollte ernsthaft Winglets in Erwägung ziehen. Das Modell nach einem mißglückten Startversuch ausbuddeln zu müssen ist mit Sicherheit die uncoolste Variante.
Darüber hinaus liegen wir zumindest mit einer Light-Motorisierung am unteren Ende der Flächenbelastungskala, daher macht es Sinn, es zunächst ohne Winglets zu versuchen. Bei 70-75g/dm² (empfehle ich wegen der geringen Streckung des "Minikiller" nicht!) werden Winglets zunehmend ihre aerodynamischen Vorteile ausspielen können. Die strukturellen Anforderungen steigen damit aber ganz erheblich, so daß es unter Umständen trotz allem günstiger sein kann, ohne Winglets und mit geringerer Flächenbelastung unterwegs zu sein. Das ist dann wirklich eine Frage des persönlichen Flugstils, was einem mehr liegt. Einen Versuch ist es in jedem Fall wert. Im Geradeausflug wird das Zentralseitenleitwerk mit Sicherheit die schnellste Variante sein, daher verzichte ich vorerst auf Winglets.
Es ist ein sonniger Freitag Nachmittag. Der typische Minikiller Pilot ist ambitioniert, leicht speedgeil und sein natürlicher Feind ist der Stinger Pilot. Da dieser immer Samstags zum Fliegen geht, sind wir Freitags zum Einfliegen da. Ja, die letzte Nacht war lang, das Bügeleisen glüht zu Hause noch nach, schnell noch die Ruderstellungen programmiert, naja -6/+8 rechts, -9/+7 links, wird schon gehen. Achja, den SWP hab ich daheim liegenlassen, da liegt er gut, ersatzweise lassen wir die Rutschsicherung des Akkus weg, der SWP stellt sich dann sicher von ganz alleine ein. Wir werfen - und sind erstaunt, daß sich das Modell mit einer atemberaubend schnellen Linksrolle in das nächste Kornfeld stürzt, um dieser irdischen Existenz zu entfliehen. Interessant, 30m Strecke haben wir mit dieser drallstabilisierten Flugfigur zurückgelegt. Schnell, das Teil! Hm, nur die Luftschraube ist kaputt. Dann etwas rechts getrimmt und gleich nochmal...
Aber wie denn dann? Ein Bügeleisen ist groß und heiß.
Ein Minikiller Flügel ist klein und wehrlos. Was passiert, wenn groß
und heiß gegen klein und wehrlos antritt? Ja, die alte Leier von
David und Goliath. Nur in unserem Fall gewinnt immer Goliath, denn das
hier ist das wirkliche Leben. Goliath bügelt uns die besten Verzüge
rein, selbst wenn der Flügel vorher blitzgerade war.
Was tun? Flügel bebügeln, dann den Flügel auf den Küchentisch
legen. In der Mitte liegt die Endleiste auf, außen sollte sie hochstehen
und zwar 3,5mm bis 4,0mm auf jeder Seite. Beide Flügelhälften
sollten gleich aussehen. Wir bügeln, bis wir exakt 3,5mm auf jeder
Seite vorfinden und wir schauen uns jetzt sicherheitshalber die Endleiste
innen am Querruder an. Schitt! Links 0mm, rechts 1,5mm... Merke: Der Verlauf
über die Spannweite sollte ebenso symmetrisch sein, wie der Wert
am Randbogen. Inzwischen ist unser Bügeleisen nicht mehr heiß,
es glüht schon leicht. Wir bügeln, bis der Flügel blitzsauber
symmetrisch ist. Ein kalter Waschlappen hilft dabei ungemein, schnelles
Abkühlen spart Haltezeit, bis der Flügel wieder kalt ist. Wir
sind genervt. Verdammt, bisher hat es doch immer genügt, wenn ich
überhaupt einen Flügel bebügelt hatte und jetzt soll das
auf einmal auch noch gerade sein???
Da wir uns jetzt kräftig aufgeregt haben, widmen wir uns einer alten Weisheit: In der Ruhe liegt die Kraft. Wir lassen den Flügel über Nacht in unserer Werkstatt liegen. Auf dem Küchentisch gäbe es beziehungstechnisch Ärger, deswegen in der Werkstatt. Am nächsten Tag schauen wir uns den Flügel noch einmal kritisch an. Hm, wieder leicht verzogen, wir bügeln nochmal ein klein wenig nach. Wir haben jetzt Übung und es geht auf einmal ganz leicht.
Es ist ein sonniger Freitag Nachmittag. Ein ambitionierter Minikiller Pilot steht auf dem Flugfeld. Das Bügeleisen zu Hause ist schon längst erkaltet. Die Ruderausschläge sind absolut symmetrisch und gemäß den Einstelldaten eingestellt. Der Schwerpunkt liegt bei exakt 95mm. Der Akku ist frisch geladen und gegen Verrutschen gesichert. Wir sind stolz, daß wir erstmalig eine Startstellung programmiert haben. So langsam verstehen wir unseren eigenen Sender. Es weht ein leichter SW-Wind über den Platz, schön in Bahnrichtung. Der Werfer wirft das Modell in einem leichten Steigflug weg. Der Minikiller steigt blitzgerade in den Himmel auf, erste Wende, schneller Überflug, ein paar Steigrollen - wie an der Schnur. Nach 4 Minuten herumheizen leiten wir die Landung ein und setzen weich auf. Der Werfer ist beeindruckt und sagt: "Der geht ja fast so gut wie mein Stinger..."
Einstelldaten
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Bemerkungen
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Höhenruder | -6/ +6mm | Exponential: 10..25% |
Querruder |
-7/ +5mm |
Exponential: 30% Differenzierung 0..30% |
Startstellung | -1,5mm | Es gibt Piloten, die meinen, daß man keine Startstellung braucht. Es gibt auch Autofahrer, die meinen auf ABS und Airbags verzichten zu können... |
Schwerpunkt |
90..100mm |
Stabilitätsmaß: 0..10% |
So, ich habe euch nun genug gequält. Merkt euch, was des Merkens wert ist und vergeßt, was euch unwichtig erscheint. Aber ich hoffe, daß ihr das eine oder andere verstanden habt. Das hier muß niemand auf Anhieb verstehen. Ich habe viele Jahrte gebraucht so weit zu kommen. Hier seht ihr die Quintessenz und das ist sicher keine leichte Kost. Deswegen versuche ich euch den Weg ein wenig zu erleichtern, indem wir hier mal eine Beispielauslegung durchdiskutieren.
Inzwischen fliegen weltweit 25 Minikiller bzw. am Minikiller angelehnte Konzepte. Zumindest sind das die, von denen ich gehört habe. Wie hoch die Dunkelziffer ist, weiß ich natürlich nicht. Allen ist eines gemeinsam: sie verwenden das S5020-2087 bzw. inzwischen HS520. Neuere Profile wie das HS522 befinden sich noch im Teststadium. Die Geometrie wird oftmals ein wenig verändert, ich hoffe mal dank meines erläuternden Artikels hier... Der Nurflügel-Underground belebt sich wieder etwas... Da mir natürlich mal wieder niemand glauben wird, hier ein Beweisfoto:
Dieser wirklich sehr schöne knallgelbe Minikiller ist
von Horst Pflug. Das an die Me-163 angelehnte Randbogendesign hat schon
was für sich, unsere Exemplare fliegen allerdings mit dem ursprünglichen
elliptischen Randbogen. Das ist ja das schöne, wenn man ein Basiskonzept
hat, woran man herumspielen kann und jeder sein Modell ein bißchen
anders baut...
Es hat mich auf jeden Fall sehr gefreut, wie begeistert dieses neue Modellkonzept
angenommen wurde, obwohl ich hier nur die rechnerische Basiskonzeption
- ohne jede Garantie - vorgestellt habe. Nun kommen wir zum beschämenden
Teil der ganzen Sache: ich selbst habe leider noch nicht die Zeit gefunden,
mir selbst einen zu bauen.
Aber das wird schon noch, ich fange bald mit dem Bau des Nachfolgemodells
an, dem "Dotkiller 2". Ja, dazwischen liegt noch der "Dotkiller
1" richtig bemerkt, aber auch für den hatte ich keine Zeit,
hab den also auch gleich übersprungen. C'est la vie...
© Hartmut Siegmann 1998-2003
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