Bevor einer da draußen (Du vielleicht???) mit unwichtigen Dingen gelangweilt wird, eine kurze selbstkritische Frage:
Nicht? Gut, dann kannst Du Dich gerne ungestraft den wirklich wichtigen Dingen dieses Lebens widmen. Nachbauer von Jets sollten ein wenig weiterlesen, man kann ja nie wissen, was man im Leben noch so brauchen könnte. Bevor es weitergeht die garantiert letzte Frage: Schonmal die Verwindung gecheckt? Meist fliegt das Modell danach auch einwandfrei und niemand braucht einen Grenzschichtzaun oder Potentialwand bzw. -zaun, wie er auch gelegentlich genannt wird. Das ist nur der letzte Rettungsanker, nicht mehr und nicht weniger.
Wir merken uns das wichtigste: Grenzschichtzäune braucht man nur, wenn das Abreißverhalten nicht stimmt. Sie produzieren Verluste am Flügel, verbessern zum Ausgleich das Flugverhalten. Wer ohne Grenzschichtzäune auskommt, hat beim Konstruieren der Flügel seine Hausaufgaben gemacht und darf sich freuen. Es gibt nur wenige Ausnahmen, zum Beispiel STOL (Short Take-Off and Landing) Flugzeuge, da überwiegen die Vorteile im Flugverhalten die Widerstandseinbußen aufgrund der speziellen Flugaufgabe. Ansonsten gilt:
Grenzschichtzäune sind Notlösungen!
(frei zitiert nach Michael Wohlfahrt)
Der "Grenzschichtzaun" wurde 1938 von dem bei der Messerschmitt AG arbeitenden Wolfgang Liebe entwickelt und zum Patent (Nr.700625) angemeldet. Damals zeigten die Versuche an der Me-109 deutliche Verbesserungen der Langsamflug- und speziell Überzieheigenschaften. Eine gute Idee, aber leider reicht der Patentschutz im technischen Bereich nicht so lange, wie bei der GEMA, ansonsten wäre Wolfgang Liebe wohl steinreich geworden. Der Grenzschichtzaun ist eine sehr segensreiche Erfindung, weil man sich dadurch das komplette Redesign eines Flügels sparen kann, wenn man beim Entwurf Mist gebaut hat.
Wir kommen jetzt zu ein paar Beispielen, wo der Grenzschichtzaun eingesetzt
wurde, damit jeder weiß, um was es hier geht.
Was sehen wir? Ein paar ältere Jets und das Amphibienflugzeug Cl-415.
Wer genau hinschaut, endeckt sogar unterschiedliche Ausführungen:
Mal kurz (A-6), dann über die gesamte Flügeltiefe (MiG-15) oder
sogar welche, die vorne um die Nase herumgezogen sind (Su-22, Fiat G-91).
Darüber hinaus finden sie sich zum Teil einzeln, dann wieder im Doppelpack.
Das heißt also, gerade und gepfeilte Flügel tragen gelegentlich
Grenzschichtzäune, wobei die gepfeilten deutlich in der Überzahl
sind. Im weiteren unterscheiden wir wegen der etwas anderen Strömungsverhältnisse
Grenzschichtzäune an gepfeilten und ungepfeilten Flügeln.
An dieser Stelle empfehle ich die Lektüre des Artikels zum
Pfeilungseffekt,
danach verstehen wir nämlich besser, worüber wir uns hier
unterhalten.
Vom Funktionsprinzip her ist festzuhalten, dass Grenzschichtzäune nicht die Grenzschicht aufhalten, sondern die Zirkulation der Flügelabschnitte in gewissem Umfang voneinander abgrenzen. Ein lokaler Strömungsabriss in einem durch einen Grenzschichtzaun eingegrenzten Flügelabschnitt kann sich nicht ungestört in den nächsten Flügelabschnitt fortsetzen. Speziell bei Pfeilflügeln unterliegen die äußeren Flügelbereiche einer erhöhten Auftriebsbelastung, die die Fortsetzung eines Strömungsabrisses von innen nach außen hin begünstigt.
Der Einsatz eines Grenzschichtzaunes ermöglicht im Hochauftriebsbereich
(High-Lift Regime) das Ausreizen des Maximalauftriebs eines Flügels,
ohne dass man unmittelbar den Verlust des Flugzeugs durch Abkippen zum
Beispiel im Landeanflug befürchten muss. Der zulässige Anstellwinkel-
und damit Auftriebsbereich kann gegenüber der Grundauslegung ohne Grenzschichtzäune
erweitert werden, wodurch
kürzere Start- und Landestrecken erzielt werden können
- oder aber auch extremere Manöver im Kurvenflug.
So, was haben wir denn da schönes? Einen bunten Blumenstrauß voller Grenzschichtzäune... Damit klar ist, worüber wir uns unterhalten, sind beispielhaft einige Flugzeugtypen genannt, bei denen der jeweilige Typ verwendet wird. Zum Teil werden gleich mehrere Grenzschichtzäune verwendet. Darunter sind Flugzeuge, wie die A-6, bei der die Verwendung des Grenzschichtzauns wegen Start und Landung auf Flugzeuträgern unmittelbar einleuchtet.
Wenn
man die verschiedenen Flugzeugtypen vergleicht, scheint es auf manch
einem Flügel wie auf einem orientalischen Basar
zuzugehen. Papa handelt mit dem Grenzschicht-zaunhändler, weil Papa
das Abreißverhalten seines Flugzeugs verbessern will: "...und
wenn einer jetzt nicht reicht?" Darauf der Grenzschichtzaunhändler:
"Und jetzt leg ich noch einen druff Papa: nicht nur einen, nein zwei
Grenzschichtzäune und dazu noch die Doppelspaltklappe im Bonuspaket!"
Papa: "Aber bin ich da auch wirklich sicher, daß das Abreißverhalten
dann gut ist???"
"So Papa, jetzt scheiß ich Dich zu: 3 Grenzschichtzäune
aus hundertfach gefaltetem japanischen Stahl für Samurai-Schwerter
und dazu noch die Antirutschbeschichtung für das Pilotentrittbrett
und das alles in dieser praktischen Plastiktüte zum Mitnehmen!!!"
So oder so ähnlich muß es bei der Konstruktion der MiG-17 zugegangen sein: 3 Grenzschichtzäune der Größe XL pro Seite. Das ist wirklich etwas zuviel des Guten, wir wollen ja nicht übertreiben. Meist reicht wirklich einer aus, allerdings muss es der richtige Typ an der richtigen Stelle sein - wie immer im Leben. Viel hilft also nicht in jedem Fall viel, daher betrachten wir das Problem von einer anderen Seite.
Welcher Typ ist nun der richtige für mich?
Frauen mag diese Frage irgendwie bekannt vorkommen, aber die lesen diese
Seite hier sicher nicht. Das ist eine verdammt schwere Frage, die ich nicht
wirklich beantworten kann, die Konstrukteure im übrigen auch nicht!
Es gilt aber eine einfache Regel: der kleinstmögliche, der seinen Zweck
erfüllt, ist der beste! Denn die Dinger erzeugen Verluste am Flügel
und die wollen wir ja gering halten. Also beginnen wir mit der A-6/F-11
Variante. Hilft die nicht, greifen wir auf den CL-415 Typen zurück,
dann steigern wir das zur MiG-15 Variante und wenn das immer noch nicht
genügt, verwenden wir die rund um die Nase laufenden wie bei der
Su-20 und Konsorten. Die sind im übrigen effizienter als die MiG-15
Variante, leider im Alltagsbetrieb extrem unhandlich, daher würde
ich die zuletzt einsetzen.
Bauhöhe vom Grenzschichtzaun?
Wie hoch soll man die Dinger denn bauen, wenn man sie verwendet? So zwischen
5 und 10% der Profiltiefe, wo sie angebracht sind. Die MiG-21 hat zum
Beispiel etwa 7% hohe Grenzschichtzäune, die Russen verwendeten typischerweise
recht hohe. Die Amis bevorzugten zumeist die kleine Variante, eher knappe
5%, wie viele Typen zeigen. Verkleinern kann man immer, also ich würde
bei 10% für den ersten Versuch starten. Reichen die 10% nicht, muß
eh ein "Full House" Typ der Marke G-91/Su-20 herhalten. Ansonsten
runterschnippeln, was das Zeug hält, deswegen nehmen wir erst Pappe
und dann die schöne GFK Variante.
Am Ende dieses Prozesses haben wir den kleinsten noch funktionierenden
Grenzschichtzaun für unser Modell gefunden.
Position in Spannweitenrichtung
Nun, das ist recht einfach: etwa 50% der Spannweite ist ein guter Ort.
Schaut mal das Bild oben von der CL-415 an. Wo sitzen die? Na, wer sieht
es? Am Ende der großen Spaltklappen bzw. am Beginn der Querruder!
Eine sehr gute Idee. Je nachdem, wo am Flügel das Abreißproblem
sitzt, sind die Dinger zu montieren, Experimente haben noch niemandem
geschadet. Im Endeffekt wird irgendwas zwischen 40% und 60% der Spannweite
als günstigste Position herauskommen. Die Grenzschichtzäune
werden exakt parallel zum Rumpf eingebaut! Eine Vorspur kann man zwar
prinzipiell testen, aber davor möchte ich ausdrücklich warnen!
Das wird klarer, wenn wir uns über die Funktionsprinzip unterhalten.
Bei der Vision 87
hat der Typ nach Michael Wohlfahrt in der Ausführung 10% Höhe
bei 50% der Spannweite (Länge 1/3 der Flügeltiefe) in jedem
Fall Wunder bewirkt: Das Ding flog von da an harmlos und gutmütig.
Bei der SB-13 waren ebenfalls Grenzschichtzäune montiert worden,
um das Abreißverhalten zu kurieren. Es wurde ein Typ wie bei der
Fiat G-91 montiert, 10% unten um die Nase herumgezogen, allerdings auf
der Oberseite durchgängig bis zur Endleiste. Mit diesem Typ konnte
zumindest bei 10% Stabilitätsmaß ein gutmütiges Abreißverhalten
erzielt werden.
© Hartmut Siegmann 1998-2007
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