Zuspitzung bei gepfeilten Schwanzlosen

Schwanzlose (Tailless) mit 15° bis 25° Pfeilung der t/4 Linie (Neutralpunktslinie) und Winglets werden hier besprochen. Keine Nurflügel (Not Flying Wings!).

So, nach vielen diversen Anfragen habe ich mir mal über ein Thema Gedanken gemacht, was eigentlich nicht vernünftig zu beantworten ist. Jede Vereinfachung bei diesem Thema ist per se unzulässig, weil sie verschiedene Aspekte nicht berücksichtigt. Der Aerodynamiker in mir schläft gerade, die Zeit nutzt der Konstrukteur für ein paar Untaten, die den Vorteil haben, angenehm einfach und direkt praktisch anwendbar zu sein.

So, was jetzt kommt, kann man weder exakt berechnen, noch sonst einigermaßen eingrenzen, das ist ja das Problem vom Thema Zuspitzung (Z=ti/ta im engl. oft l). Das hängt unmittelbar mit der Verwindung, Streckung (L) und Pfeilung (f) zusammen und das alles ist ja schon die gesamte Auslegung! Die Verwindung und Pfeilung lasse ich fürs erste unberücksichtigt und betrachte nur verschiedene Modelle samt Streckung (L) und Zuspitzung (l).

Das Diagramm ist nur für eine erste Auswahl gedacht, wenn man gar keine Ahnung hat und wissen möchte, was so in etwa ein vernünftiger Wert sein könnte. Die Truckenbrodt (Weissinger) Rechner können leider erst ab etwa L=6..8 loslegen, darunter ist das Verfahren zu ungenau, was die Vorhersage von Strömungsabrissen betrifft. Die Auftriebsverteilung selbst wird noch bis L=3..4 einigermaßen exakt berechnet, aber da erzeugt ohnehin fast jede Tiefenverteilung irgendwas halbwegs elliptisches.

Neu: Ihr könnt die aufgeführten Modelle/Flugzeuge direkt im Bild anklicken!

Spariane CEOZWO Aeolus CO8 Spin-Off Vision 88 Vision 87 Flair 30 SB-13 Zagi
Da sind einige sehr populäre Schwanzlose dabei, ihr werdet hoffentlich das eine oder andere Modell kennen, falls nicht, einfach anklicken! Dann erscheint die Dreiseitenansicht.

Rot gekennzeichnete Modelle/Originale sind welche, die Probleme in irgendwelchen Bereichen haben. Die SB-13 müßte ebenso wie die Vision 87 knallrot sein, denn sie hat überall Probleme! Trudeln, spontane Abrisse, Hochstart unmöglich bzw. nahezu (Vision 87). Das gesagte gilt jeweils für die Ausführung ohne Grenzschichtzäune! Der Aeolus hat leichte Probleme im Hochstart (Propeller), das lag aber primär an den Winglets und soll nur als Beispiel dazu dienen, daß auch Z=1 keine Garantie für perfekte Flugeigenschaften in allen Einsatzbereichen ist.

Die Linie markiert in etwa den optimalen Bereich der Auslegung, wo sowohl Leistung, als auch Handling vernünftig zusammenpassen. Man könnte die Ebene im mittleren Streckungsbereich auch mit Z=0,8...1,0 eingrenzen, das paßt. Das Diagramm ist wirklich saugrob und soll nur zeigen, in welchen Bereichen man sich am besten bewegen sollte. Primär aerodynamische Optimalität (Auftriebsverteilung, Widerstand) und Handling berücksichtigt. Nicht mehr!!! Das Handling ist etwas höher bewertet als die reine Optimalität, denn was hilft einem ein unfliegbares Modell??? Mit Klappen kann man die entsprechende Optimalität aber jederzeit einigermaßen herstellen.


Generell: Man darf jederzeit unter die Kurve gehen, muß aber dann mehr Verwindung einbauen, also das Auslegungs-ca erhöhen!

Andernfalls stellen sich schlechte Flugeigenschaften ein. Zugleich ergibt sich in den meisten Fällen ein Leistungsverlust, so daß gut abgewogen werden sollte, wenn man sich unterhalb der Zuspitzung der Linie begibt. Diese Linie sollte ziemlich gut den Bereich empirischer Optimalität wiedergeben. Zu dieser Linie gehört ein Auslegungs-ca von etwa 0,2...0,4, mal als grober Anhaltswert. Die blauen Pfeile zeigen den logischen Weg der Anpassung des Flügels an eine andere Zuspitzung. Das sind die Änderungen, die prinzipiell vorgenommen werden müssen, je nachdem, in welche Richtung man von der Linie abweicht.

Fallbeispiel Vision 87
Die Vision 87 hat ein Auslegungs-ca von ca*=0,15 (-1,25° Verwindung) und liegt unterhalb der Kurve, ist also prinzipiell etwas zu stark zugespitzt. Extrem schlechte Abreißeigenschaften sind die Folge! Mehr Verwindung (-2,5°) hätte das kuriert, aber die Auftriebsverteilung bei der Zuspitzung erheblich verschlechtert! Die Vision 88 vom LOGO Team hatte eine geringere Zuspitzung und mit -1,50° mehr Verwindung (ca*=0,3). Sie flog einwandfrei. Verstanden?!
Noch ein kleiner Hinweis: solltet ihr versehentlich eines der Modelle Marke "rot" im Diagramm konstruiert haben, hilft ein Grenzschichtzaun weiter...


Streckungsbereiche und Auslegungsprobleme

L < 5
Ein mit 5 gestrecktes Modell wird nie eine besonders gute Leistung erreichen, darf aber aufgrund der dominierenden 3D Aerodynamik stärker zugespitzt sein, ohne Abrißprobleme zu bekommen. Damit verläuft die Optimalitätslinie recht weit unten, da in dem Fall dann ausnahmsweise Strukturargumente so erheblich dominieren, daß alles andere schlichtweg quatsch wäre.
Unter L=5 dominiert die 3D Aerodynamik, daher der Abfall der optimalen Zuspitzung. Ein Delta (L<1) zum Beispiel darf gar nicht mehr mit 2D betrachtet werden, es stimmt schlichtweg nichts mehr, deswegen bereitet eine Zuspitzung Z=0 bei einem Delta auch keine Probleme! An jedem hochgestreckten Flügel wäre das unfliegbar!!!

L 5...15
Hier liegen wir mittendrin, Z=0,8...1,0 ist empfehlenswert. Modelle, die im Hochstart eingesetzt werden, sollten eher bei Z=0,9 angesiedelt sein, siehe Spin-Off. Grund ist die hohe Auftriebsbelastung im Wingletfuß. Z=0,8 geht mit einem etwas höheren Auslegungs-ca ebenfalls einwandfrei. Für reinen Hangflug eher Z=0,8 wählen, für ein reines Thermikmodell eher Z=1. Warum? Denkt mal nach, welches von den beiden Modellen sinnvollerweise mehr Verwindung hat und welche Fluggeschwindigkeit dazugehört!
Dieser Streckungsbereich hat den Vorteil, Optimalität und Handling in einem zu bieten, ohne zwangsweise Wölbklappen einsetzen zu müssen.

L >15
Die große Streckung führt zu einem recht gleichmäßig hohen Auftriebsniveau am Flügel, es würde sich ohne Zuspitzung eine Art von rechteckiger Verteilung ergeben. Die Zuspitzung senkt das Auftriebsniveau nach außen ab, die Ellipse im Langsamflug kann aber nur mit viel Verwindung erzielt werden. Die Zuspitzung darf wegen des Handlings nicht so stark reduziert werden, wie aus Sicht der Auftriebsverteilung optimal wäre. In genau diese Falle sind die SB-13 Designer reingelaufen, etwas mehr Verwindung auf Kosten der Schnellflugleistung hätte alle Probleme (abgesehen vom Wippen) gelöst!
Diese Falle kann man mit einem sehr komplexen Flapmanagement versuchen zu umschiffen, wo man eine Kombination aus Auftriebsverteilungs- und Profilwiderstandsoptimierter Einstellung anstrebt, die für jeden Flugzustand einzeln optimiert wird, um die Gesamtverluste so gering wie möglich zu halten.

 

Pfeilung größer als f = 25°

Und was passiert nun aber bei größeren Pfeilwinkeln? Da verschiebt sich das ganze zu stärkerer Zuspitzung hin. Der Grund liegt in der Abflußströmung längs des Flügels, siehe Pfeilungseffekt. Leider wandert damit die Optimalität aus Auftriebsverteilung und Handling wieder weiter auseinander. Das Problem ist also vergleichbar mit dem höherer Streckung.

 

© Hartmut Siegmann 2000