Schränkung (aerodynamisch)
Großsegler
Alle in den anderen Modellklassen angesprochenen Phänomene betreffen
auch die Großsegler, z.T sogar in verschärfter Form (Auftriebsverteilung).
Wir besprechen deshalb an dieser Stelle nur die spezifischen Probleme.
Die Lektüre des Quadroflapartikels
möchte ich empfehlen, die allermeisten Großsegler fliegen heutzutage
noch ohne Wölbklappen, vielleicht ein kleiner Anstoß, das mal
zu ändern...
Aeroelastische Probleme
Bei einem Großsegler bekommen wir es mit einem bisher ignorierten
Phänomen zu tun, der Aeroelastik. Das sind Verformungen der Struktur
aufgrund von aerodynamischen Lasten. Reden wir über Schnellflug bei
Großseglern. Wir haben ein HQ oder FX drauf, die mit Abstand beste
Profilierung für einen Großsegler. Diese Profile vereinigen
die meisten Vorteile für dieses Genre in sich, deshalb. Diese Profile
zeichnen neben der guten Klappentauglichkeit horrende Momentenbeiwerte
aus. Diese erzeugen ein Torsionsmoment, das mit zunehmender Geschwindigkeit
immer größer wird. Die schlanken, langen Flügel verdrehen
sich, die Außenflügel erzeugen plötzlich aufgrund der
Verdrillung Abtrieb! Aha, deshalb hängen die Außenflügel
im Schnellflug so pervers nach unten. das sieht nicht gut aus und kann
sogar gefährlich für die Struktur werden. Das kann leider auch
zu dem gefürchteten Flattern führen, aber dazu unten mehr.
Wir wollen also den Auftrieb außen im Schnellflug irgendwie erhöhen,
um das Phänomen zu beseitigen.
Ein Fallbeispiel und Lösungsansatz
Wir haben überall am Flügel das HQ3,0/X eingesetzt, eines der
besten Allroundprofile für Großsegler, nebenbei bemerkt. Am
Randbogen begehen wir eine kleine Sünde, indem wir ein HQ3,5 einsetzen.
Das 3,5er (etwa -4,34°) hat dem Betrage nach einen größeren
Nullauftriebswinkel als das 3,0er (etwa -3,73°), diesmal korrigieren
wir aber die effektive positive Verwindung infolge des anderen Profiles
nicht. Was passiert? Die Flügel verdrehen sich wie gehabt, aber wir
müssen viel schneller fliegen, um wieder den Punkt mit den krummen
Außenflügeln zu erreichen, weil die Flügel um -0,61°
(etwa ca=0,12) mehr verdrillt oder weniger angestellt werden müssen,
um diesen Punkt zu erreichen! So schnell fliegen wir mit dem Großsegler
nicht, eine Thermik würde unsere Flügel atomisieren, wenn wir
sie anschneiden. Anders gesagt: Bisher bog sich der Flügel bei ca=0,25
nach unten, jetzt vielleicht erst bei ca=0,17, nur mal als prinzipielles
Beispiel für die Verhältnisse.
Das Phänomen an sich werden wir außer durch massiven Kohleeinatz
nicht verhindern können, aber wir können es soweit hinauszögern,
daß es uns nicht mehr zu interessieren braucht. Ein interessanter
Ansatz, weil hier Leichtbau über heavy metal siegt, wenn man eine
intelligente Aerodynamik zugrundelegt und nur dann. Wir sehen, alles geht
Hand in Hand und ab jetzt können wir wieder besser schlafen.
Und was ist mit dem Abreißverhalten dabei? Das aerodynamisch höher
angestellte Profil ist zugleich das höher gewölbte, hat also
mehr camax. Deswegen ist das unproblematisch und beseitigt einfach unsere
Probleme im Schnellflug ohne weitere Probleme zu erzeugen. Zusätzlich
bewirkt dieses eine stärker überelliptische Verteilung, aber
davor fürchten wir uns ja schon lange nicht mehr, seit wir die Quadroflap
Auslegung verstanden haben...
Einen kleinen Seitenhieb kann ich mir doch nicht verkneifen: Verwendet
doch endlich mal im Außenflügel Profile mit etwa 10% Dicke.
Die üblichen 12-13% sorgen bei vielen hochgestreckten Modellen bereits
für Probleme. Man soll sich nicht über Rauschen, Pfeifen und
extreme Böenempfindlichkeit wundern, wenn man die kritische Reynoldszahl
außen unterschreitet! Strömungsabriß außen können
wir dank der höheren Wölbung vergessen. Der Grund für die
dicken Außenprofile ist bisher der Abriß gewesen, wenn man
aber hochwölbt hat sich das auch erledigt. Ja, ich weiß, die
Statik. Aber bauen wir hier Trecker oder Flugmodelle? Na also...
Fazit: Die Großsegler sind die einzigen Modelle, wo eine
aerodynamische Schränkung zu empfehlen ist, speziell am Außenflügel.
Bei besonders weichem Flügelaufbau und hoch getreckten Flügeln
ist allerdings noch die Resistenz gegen Flattern zu berücksichtigen.
Flattern und Schränkung?
Eine Variation der Skelettlinie (jedweder Art) über die Spannweite
erhöht in den allermeisten Fällen die Flatterneigung. Grund
für diese Eigenschaft ist die Variation des Nullauftriebswinkels
über die Spannweite. Dickenänderungen haben nahezu keinen Einfluß
auf den Nullauftriebswinkel, daher sind sie relativ unkritisch.
Es geht nicht darum, OB ein Flügel überhaupt
flattert, sondern nur WANN!!!
JEDER Flügel auf dieser Erde flattert IRGENDWANN!!!
Hat jemand also ein Flatterproblem trotz bereits optimierter Bauweise
(Flügelstege,
Diagonalgewebe,
D-Boxen usw.) sollte er unbedingt dieselbe Skelettlinie über die
Spannweite verwenden. Genügt das nicht, muß entweder ein Profil
aus derselben Serie mit weniger Wölbung verwendet werden (statt HQ
3,0/X HQ2,5/X) oder ein Profil mit geringerem Momentenbeiwert (cm). Aber
ein solcher Flügel wird in jedem Fall das Außenflügelabsenken
zeigen!!! Nur mit Hilfe der oben erläuterten Schränkungsart
könnt ihr das verhindern, aber das verstärkt ja die Flatterneigung.
Wählt man aufgrund der Flatterneigung eine durchgängige Skelettlinie,
sollte man allerdings auf den klassischen Dickenverlauf zurückgreifen,
um in jedem Fall ein gutes Abreißverhalten zu erhalten. D.h. das
Außenprofil gegenüber dem Mittentrapez um 1-2% Punkte aufdicken.
Tut man das nicht (Rezahl), sollte man im Einzelfall nachrechnen,
wie sich das Abreißverhalten ändert.
Der Original "Nimbus 4" hat im Schnellflug auch seine Flügel
schamhaft abgesenkt, also warum sollten nicht auch bei eurem Modell die
Flügel hängen???
Übrigens flattern hängende Flügel viel schneller als gerade,
insofern dürften sich beide Maßnahmen in etwa die Waage halten.
Irgendwo schießt man sich immer ins Bein. Nach meiner Auffassung
überwiegt daher etwas der Vorteil der Schränkung, indem man
elegant die Klippe der kritsichen Rezahl am Außenflügel umschifft.
Das Leben ist scheiße, nicht??? Man schießt sich immer ins
Bein, egal wierum!
Zu eurer Beruhigung kann ich nur sagen: den Nurflügelfans geht es
keineswegs besser! Da gibt es manchmal noch nicht einmal vernünftige
Alternativen, gegen die man sich im Zweifelsfall entscheiden könnte,
schade eigentlich. Also seid froh, daß ihr wenigstens die Wahl habt!
Zum ganz allgemeinen Flatterfall ist noch zu sagen, daß da oftmals
erheblich mehr reinspielt: Anregung durch flatternde Ruder, Massenverteilungsgeschichten,
Schwingmoden, die vom Rumpf und sogar zum Teil vom T-Leitwerk aus induziert
werden (!) und ähnliche Spielchen, mit denen uns die Aerodynamik
zum Wahnsinn treiben will.
Im Rahmen dieses Artikels haben wir nur die direkten Einflüsse durch
die Aerodynamik des Flügels diskutiert. Irgendwann können wir
uns mal über die ganz allgemeinen Möglichkeiten unterhalten,
was/wo zum Flattern/Schwingen neigt, aber heute nicht.
© Hartmut Siegmann 2000
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