Dieses ist meine erste Eigenkonstruktion. Ausgangspunkt für den Entwurf dieses Modells war der Sommerurlaub 1987, bei dem ich mich etwas langweilte und mir einen Hangflugsegler für den Urlaub gewünscht habe. Das Modell sollte klein und kompakt sein, dass man es gut überall hin mitnehmen kann. Die Idee war grundsätzlich nicht verkehrt, nur dieser erste Versuch der Umsetzung hat Luft nach oben... aber lest selbst!
Wir schreiben inzwischen das Jahr 1988, Frühsommer. Das »World Wide Web« war noch nicht erfunden und die für mich zugänglichen Bibliotheken hatten bestenfalls Modellbaubücher der 60er und 70er Jahre in der Ausleihe. Dank der Fachzeitschrift FMT gab es damals aber auch aktuelle Informationen und so las ich Dinge über Bretter und Brettprofile. Auf diesem Weg fand ich einen Artikel über 1m Bretter, die am »Grünen Heiner« in Stuttgart Feuerbach flogen und das Brettprofil AR 193-S75 in der FMT-Ausgabe vom Mai 1988. Das waren die Zutaten, um dieses Urlaubsbrett zu bauen! Warum das mit diesem Profil keine gute Idee war, darüber habe ich inzwischen einen ausführlichen Artikel geschrieben.
Dieses Modell war meine erste Eigenkonstruktion - und ein vollständiger Fehlschlag und zwar in jeder nur denkbaren Hinsicht. Der große Vorteil: Deswegen kann man von diesem Design sehr viel darüber lernen, wie es nicht geht! Es hat kein Aspekt gestimmt, aber das ist bei der ersten Eigenkonstruktion entschuldbar. Das Gemeine daran ist, dass dieses Konzept so dermaßen schön minimalistisch ist, dass es einen unwiderstehlichen Charme hat! Faktisch aber funktioniert es nicht, denn man kann das Brett weder vernünftig werfen, noch bekommt man mit akzeptablen Methoden eine Schwerpunktlage hin. Die Landung ist ebenfalls ein Problem der besonderen Art, aber jetzt der Reihe nach.
Wegen der laminaren Ablösungen am Profil und der Probleme mit der Schwerpunktlage waren die Flüge mit dem »Brettchen« alle recht kurz. Ein entscheidendes Problem hatte ich beim Entwurf des Bretts komplett übersehen. Quizfrage: Wie sieht eine Papierbespannung aus, nachdem sie ohne Landekufe auf dem Strand mitten in einem Muschelfeld gelandet ist? Richtige Antwort: Sehr löchrig! Der Beschuss durch eine Schrotflinte sollte ein vergleichbares Bild ergeben. Eine einzige Landung führte also stets zu einer mehr oder minder umfangreichen Reparatur der Papierbespannung. Faktisch braucht man also unbedingt eine breite Landekufe, die nicht im Sand einsinkt, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Ein weiteres Problem ist in der Konstruktionszeichnung zu erkennen: Der Schwerpunkt liegt nur 45 mm hinter der Nasenleiste. Das heißt alles, was an Struktur hinter diesem Punkt liegt, stellt ein Problem dar. Also fast alles! Das Problem besteht aus 82% der Tragflügelfläche (Farbe Rosa) und nur 18% ermöglichen die Lösung (Farbe Grün). Das Brettchen hat ohne RC-Equipment (Akku, Servo und Empfänger) ein Zellengewicht von 200g, was so weit in Ordnung wäre, wenn das Wörtchen »wenn« nicht wäre! Wenn man die Flugschwerpunktlage einstellen möchte, landen 250-300g als Bleistange vorne in der Nasenleiste. Ehrlich, da hätte ich besser einen 6mm Federstahldraht als Nasenleiste eingebaut, dann hätte ich mir den Holm sparen können.
Deswegen lag das Fluggewicht bei 500 bis 600g, was bei der geringen Flügelstreckung von nur 4 in Verbindung mit den laminaren Ablösungen des »AR 193-S75« zu sehr übersichtlichen Flugleistungen und Flugeigenschaften führt, um es politisch korrekt zu formulieren...
...im Klartext: Ein Strangfalzziegel nach DIN EN 1304 sollte mindestens dieselbe Gleitzahl erreichen, ein leerer Bierkasten eine vergleichbare Sinkleistung aufweisen und der Inhalt einer vollen Flasche Bier sollte definitiv berechenbarer ins Glas zu steuern sein. Das Brettchen war im Schiebeflug vor der Landung nicht zu schlagen. Ein wirklich lustiger Anblick, wenn ein Modell vor der Landung unkontrollierbar schiebt, um anschließend im Bodeneffekt auf dem Luftkissen über den Randbogen im wilden Drift zu gleiten. Am Ende schlägt es mit dem Randbogen voran unvermittelt hart ein. Im wahrsten Sinne des Wortes ein schräger Anblick! Bei Streckung 4 fällt es dem Laien kaum auf, ob man gerade mit 0,25m oder gerade quer mit 1,0m Flügeltiefe fliegt. Bei zufällig anwesenden Experten hilft nur, nach der »Landung« schnell die Antenne einzuziehen, entspannt »La Paloma« zu pfeifen, und unschuldig den Möwen beim Hangflug zuzusehen.
Um es kurz zu machen: Die »Spariane« 1989/1990 hatte all die Eigenschaften, die ich mir vom »Brettchen« erhofft hatte. Wenn man ein Brett bauen möchte, entspricht aus heutiger Sicht der »Weasel« aus EPP exakt dem, was dieses Brettchen hätte sein sollen. Und was hat der »Weasel«? Einen EPP Tragflügel mit Rumpf. Und wir wissen jetzt auch, warum: Wegen der Schwerpunktlage, als Griff für den Handstart und als breite Landekufe - für die sichere Landung am Sandstrand mitten im Muschelfeld. Definitiv weniger ästhetisch, als das pure Brett ohne Rumpf, aber dafür leicht und praxistauglich. Noch Fragen, Kienzle? Nein, Hauser! Ende der Geschichte.
Fazit: Das »Brettchen« - bitte nicht nachbauen!
© Hartmut Siegmann 1988-2015
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