Verwindung
Wann und wo?
So, ich meine, Du hast Dich richtig entschieden weiterzulesen. Hier gibt
es einiges zu lesen. Bilder dazu muß ich nochmal bei Gelegenheit
machen, bis dahin gibt es leider nur einen Haufen Text. Sorry!
Hallo LEITWERKLER?!?
Ihr denkt, euch geht das Thema nichts an? Weit gefehlt!!! Das ist einer
der Hauptgründe, warum eure Kisten oft völlig scheiße
fliegen, ihr aber nicht so ganz sicher seid, woran das liegt. Ersatzweise
wird dann auf den Modellhersteller geschimpft, obwohl ein kleiner Blick
auf die Verwindung alles erklären würde! Nach meiner unmaßgeblichen
Erfahrung sind das etwa 80% der Fälle, wo ein schlechtes Abriß-
oder Kurvenverhalten den Piloten zu kleinen Zornausbrüchen treiben.
Der Rest sind EWD und Profilfehler, aber das Thema blicken inzwischen
selbst die blödesten Hersteller, die Gefahr von dieser Seite ist
also vergleichsweise gering. Bei Anfängermodellen und ihren Erbauern
ist die Quote noch viel schlimmer, 90% und mehr der Probleme gehen aufs
Konto der Verwindung, ich war selbst überrascht. Ich hatte die letzten
Monate einen Haufen Anfänger - äh: Einsteiger
- samt Modellen an verschiedenen Hängen getroffen, interessant, interessant.
Wieso schreibt eigentlich niemand über das Thema, aber alle wissen
angeblich Bescheid, wenn man eine kleine Diskussion anzettelt?
Peter haßte das Flugverhalten seines Highlight und flog viel lieber
seinen Libelle-Tragflügel mit dem Hattrick Rumpf, den er für
beide Modelle verwendet. Nachdem wir uns kurz an seinen Flügel gesetzt
hatten, verstaubt der Libelle Flügel in der Ecke, weil er nicht so
steif ist. Woher kam das? Der Flügel war asymmetrisch verzogen, aber
so, daß kein großes Rollmoment entstand, wodurch es direkt
aufgefallen wäre. Gut, dem erfahrenen Modellbauer wäre das vermutlich
trotzdem aufgefallen. Er hätte überall 0° oder so ähnlich
eingestellt. Das ist zwar nicht schlecht, aber sicher nicht die beste
Idee, weil wir vorzugsweise (eigentlich ständig, aber das geben wir
nur ungern zu) am camax rumkratzen. Und das auch noch im Kurvenflug.
Wie war das noch mit dem cwi und cA²? Und die Freiflieger... Verwindung
und Kreisflugverhalten, da war doch was? Aber was? Langsam wird es warm...
Speziell die cwi Geschichte kann man schnell nachrechnen, geht mal zur
Glockenauftriebsverteilung,
da findet ihr ein nettes Programm samt kurzer Beschreibung. Das schmeißt
unter anderem den k-Faktor raus, der sollte bei 1,00irgendwas sein. Da
kann man bei den meisten Modellen bei camax etwa 2-6% (k-Faktor: 1,02-1,06)
am cwi einsparen, wenn man das richtig macht. Auf das Modell bezogen werden
das zwar nur 1-3% Gewinn sein, aber besser als nichts. Was aber viel wichtiger
ist: Die Spiralsturzneigung nimmt mit zunehmender Verwindung ab, das Eindrehverhalten
verbessert sich. Das Modell liegt deswegen einfach erheblich besser in
der Thermik und ein Überzieher erzeugt selbst im steilen Kreisflug
keinen fiesen Abkipper mehr und das ist der eigentliche Gewinn der Aktion.
Wir können ab jetzt langsamer (=mehr Auftrieb) und damit enger in
der Thermik kreisen und haben gleichzeitig auch noch ein geringeres Sinken,
Herz was willst Du mehr...
Ehrlicherweise muß ich zugeben, daß sich leichte Verluste
im Schnellflug einstellen, aber dagegen hilft uns das cA² und ein
gering gewölbtes Profil, was nicht jeden negativen Auftriebsbeiwert
mit dem Widerstand eines Kühlergrills beantwortet. Das macht keines
der heutzutage verwendeten HLG, F3J und so weiter Profile, um euch gleich
eine Runde zu beruhigen...
Oder wagt etwa jemand noch gegen den Trend Schuhsohlenprofile einzusetzen?
Ich gestehe schamhaft, ich habe es getan und war wirklich erstaunt. Ein
alter A2 umgebaut... Der Wahnsinn! Aber ich möchte keine Blinden
sehend machen. Ich vergnüge mich derweil mit Steigzahlen, von denen
ihr nur (alp)träumen könnt... von euren Gleitzahlen kann ich
dagegen leider wirklich nur alpträumen, also fliegt ruhig weiter
die trendigen, schnittigen Profile...
Ich komme jetzt erst mal zu meinen Lieblingen, den Nurflügelanhängern
.
Nein, keine Angst, die machen meist noch mehr falsch und wissen noch weniger,
aber dagegen gibt es ja Spaten und gesunden Optimismus.
Danach gibt es ein paar Tipps, wie man schnell optisch Fehler erkennen
kann. Ausmessen auf einem ebenen Tisch wäre natürlich ganz einfach,
aber das macht aus irgendwelchen eigenartigen Gründen keine Sau.
Dabei braucht man sich nichtmal um die Winkelberechnung kümmern,
die Höhendifferenzen in Millimeter reichen völlig, um zu schauen,
wie das Ding verwunden ist. Klein-Hartmut ist deswegen immer etwas erstaunt
und verwirrt, wenn ihn immer wieder Leute fragen, wie man das auf die
Schnelle ausmessen kann. Küchentische sind meistens gerade und wenn
nicht, muß eh bald renoviert werden...
Nurflügel
So, das mit diesen Ignoranten wäre erledigt, wir sind in dem Thema
ja zu Hause. Falls nicht, haben wir inzwischen eine überragende Kondition
und immer einen Spaten im Kofferraum unseres Autos, man weiß ja
nie. Unsere sonstige Ausrüstung haben wir im Laufe der letzten Saison
um eine Kettensäge, Steigeisen, Kletterseile und andere Bergungsutensilien
wie Schlauchboote und RC-Bergepanzer ergänzt. Nein, kein Grund zum
Verzweifeln, wir kriegen das schon hin!
Die Verwindung ist der sensibelste Bereich des Nurflügels, viel
sensibler als der Schwerpunkt (nebenbei: völliger Quatsch! Der SWP
ist unkritisch!), weil letzteres jeder behauptet zu wissen. Bei der Verwindung
etwas falsch machen und das Ding fliegt so, daß wir uns nie wieder
auf unserem Vereinsgelände bei Tageslicht blicken lassen können,
weil spontane Heiterkeitsausbrüche der Kollegen garantiert sind.
So, jetzt schauen wir uns das mal gemeinsam mit den Leitwerklern in Ruhe
an. Das optische Peilprinzip geht eigentlich sehr einfach, mit Erfahrung
sieht man sogar auf etwa 1mm genau, was los ist, beim Symmetrievergleich
sind wir noch besser.
Optisches Peilen
Angst vor Verwindung?
Der gemeine Normalpilot scheut die Verwindung wie der Teufel das Weihwasser.
Er verliert lieber ein oder zwei Modelle wegen Abkipper im Landeanflug,
damit er ja nicht 1% cw im Schnellflug einbüßt. Auf kurz gesagt:
die Angst vorm Flattern im Schnellflug infolge der Verwindung ist übertrieben
meine ich, weil ein ordentlicher Querruderausschlag im Speedflug viel
schlimmer ist.
Da memmte neulich jemand mit einem 3,5m Segler rum, mit dem ich am Hang
das Thema kurz diskutiert hatte: " endlosblabla... und mit Verwindung
flattert der Flügel ja sofort, wenn ich schon andrücke...",
5s später langt er bei 200km/h beherzt ins Querruder, das gerade
mal mit Hilfe von Weißleim und popeligen Balsastegen verkastet war...
Dazu fiel mir dann nichts mehr ein und ich zog mich zu einer gemütlichen
Tasse Kaffee in meinen Bunker zurück. Das war ein guter Plan. Eine
leichter Verwesungsgeruch samt Staubwolke zog Minuten später an meinem
Bunker vorbei. Neugierig schaute ich raus, fast hätte ich lauthals
losgelacht, aber das wäre mein letzter Lacher gewesen. Mit erbosten
Modellfliegern ist nicht zu spaßen... Schonmal einen Modellflieger
knietief stehend in einem Misthaufen nach seinem Modell graben sehen???
Ich auch noch nicht... Aber wenigstens hatte er keine Verwindung drin.
Daß man in so einer Konfiguration im Schnellflug etwas mehr Widerstand
hat, ist klar. Daß man aber viel besser und stabiler kreisen kann,
ein besseres Eindrehverhalten, einen weicheren Strömungsabriß
und einen deutlich reduzierten cwi bekommt, muß man dagegenrechnen.
Die meiste Zeit ist man auf Thermiksuche und die wenigste am Rumbolzen,
aber letzteres dominiert die Auslegung?!? Das sollte einem zu denken geben...
Bei Großseglern sage ich nichts, die haben dank der hohen Profilmomente
sowieso ein Torsionsproblem, das allein mit massiv Kohlefaser eliminiert
werden könnte, ein teures Vergnügen. Hier ist ein wenig aerodynamisch
schränken und dafür den erhöhten cwi im Thermikflug
ignorieren sicher die intelligentere Variante!
Verwindungskorrektur
Eine Verwindungskorrektur geht bei allen Bauweisen (Voll-GFK, Styro-Balsa,
GFK Positiv, Rippenbauweise...) durch Verdrehen in die gewünschte Richtung,
beidseitiges vorsichtiges Erhitzen mit einer Airgun (1500 W, Fön reicht
meist nicht) und anschließendes Abkühlen (nasser Waschlappen) in
dieser Position. Auch bei Papierbespannung geht diese Methode, abgesehen
vom Waschlappen, nur mal so als Anmerkung. Bei Folie verdrillt man den
Flügel, bis er kleine Fältchen wirft. Diese "föhnt" man vorsichtig weg,
auf Ober- und Unterseite.
© Hartmut Siegmann 2000
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