Das harte Leben eines Nurflügelpiloten
...oder die Zeit vor CEOZWO!

Der Pirx war ebenso wie der Just in Time eine der Leichen, die den Weg zur Entwicklung des CEOZWO oder kurz CO² pflasterten. Wer Hans-Jürgen Unverferth damals mit dem JIT bei F3B Wettbewerben beobachten konnte, bekam irgendwie Mitleid. Ich hatte das Glück, diese Versuche aus sicherer Distanz beobachten zu dürfen. Das Glück war dabei vor allem in der sicheren Distanz zu sehen.
Es schien so aussichtslos das ganze Unterfangen, wie sein JIT mit den neonroten Winglets immer und immer wieder im Hochstart propellerte, hart einschlug, beide oder auch nur ein Winglet ablegte. Das war ein Anblick, den ich nie vergessen werde. In der fieberhaften Aktivität zum Nachstart die Winglets wieder richtig herum mit Tesafilm zu befestigen, ist schon unter Normalbedingungen nicht ganz einfach. Im norddeutschem Nieselregen hingegen wirkt dieses Unterfangen herrlich sinnlos. Petrus scheint ein ausgemachter Leitwerkler Anhänger zu sein. Wären die Winglets anders befestigt, würde das unweigerlich zur regelmäßigen Destrukturierung dieser filigranen Flügelbestandteile führen.

Dennoch, das Modell muß sofort wieder ans Seil. Die Winde winselt ihr einsames Lied in den grauen verregneten Himmel, bis der Helfer ein Einsinnen hat und das Modell zum Nachstart freigibt. Ein bösartiger Schnalzer, gefolgt von einer nicht mehr lösbaren Verbindung zwischen Hochstartseil und Modell und das Schicksal desselben scheint besiegelt zu sein. Einseitig an einer V-Fesselung sicher zu Boden kurven zu müssen, ist wie Fahrradfahren ohne Hinterrad. Ein herrlich sinnloser Versuch ohnehin todgeweihtes RC-Equipment zu retten. Über das Modell brauchen wir nicht zu reden, die Abschreibung ist nurmehr eine Formalität, die der Erdboden mit zuverlässiger Sicherheit gegenzeichnen wird. Auf den Erdboden ist immer Verlaß. Der wird sich nicht lumpen lassen und ein lassiges, dumpfes "Fump" zur Bestätigung der Vertragungsunterzeichnung herüberschallen lassen. Das war Leidenschaft bis zum Wahnsinnigwerden mit einem Haufen Nerven gewürzt.

Nur heute, zum ersten Mal, scheint selbst der Erdboden Mitleid mit diesem armen Nurflügel zu haben, der sich unermüdlich gegen das Ende der Rahmenzeit wehrt. Das Modell bleibt nach einer unerklärlichen Drehung beim Aufschlag unversehrt liegen. Das leicht gespannte Hochstartseil zieht das Modell noch etwas durchs nasse Gras, um den Nachweis der immer noch intakten Verbindung zwischen Hochstarthaken und Seilring zu erbringen. Diese Verbindung hätte sicher manchen Pfarrer bei der Eheschließung begeistert. Es war zum Heulen und der Regen untermalte die traurige Szenerie mit leisem Getröpfel. Wer das gesehen hat, der wäre verleitet gewesen, einen Spendenaufruf für die verwirrte Seele eines armen Menschen zu starten...

 

CEOZWO - ein großer Wurf!


Bild 1: Ceozwo-mini (Bildquelle: Faszination Nurflügel, Seite 59)

Und dann??? Dann kam dieses Modell! Man kann sich fragen, was man nun mit der Jahrhundertpackung Baldrian machen soll, die man sich angeschafft hat, um diese Flugfiguren ohne Herzinfarkt überleben zu können. Aber es gibt wirklich wichtigere Dinge im Leben...

Ein Superkonzept ("Glenfiddich"), das dahintersteht, ein geniales Design, ein Haufen neuer Erkenntnisse. Dieses war das Modell, mit dem die entscheidenden Entwicklungen in die richtige Richtung beim Pfeilnurflügel (gepfeilten Schwanzlosen für alle Klugsch... ) eingeleitet wurden. Das war der Durchbruch! Die Elfe II von Curt Weller (vgl. Werner) war der Stein des Anstoßes für den modernen Pfeil, dieses hier ist das Meisterstück dazu!

Ein Kochrezept war geboren, von einer schlichten und deshalb so bestechenden Genialität. Ein absoluter Renner dank unschlagbarer Einfachheit: cm0=0, t=250mm, Rechteck, Pfeilung 18-20° und 4mm Verwindung. Damit brach die Nurflügelbegeisterung über Deutschland Ende der 80er, Anfang der 90er herein. Begonnen hatte es in zwei dieser typischen verregneten Herbstwochen in Norddeutschland am Oberringel. Die Wingletters vom selbigen sollten jedem Interessierten noch aus der "FMT" und später "Aufwind" bekannt sein. Witzig, subversiv, höchst infektiös und immer gnadenlos.

Endlich erlebten Pfeile mehr als nur das erste Viertel der Flugsaison. Riesenhuber, Vrille und Propeller sind Flugfiguren, die nunmehr nur in den Annalen der Pfeilnurflügel zu finden sind und inzwischen fast in Vergessenheit geraten. Vor allem dank dieses Designs! Wer heute einsteigt, der kennt den Propeller bestenfalls dem Namen nach, war aber niemals Zeuge. Der Riesenhuber ist inzwischen völlig vergessen, vor allem auch dank der Normwinden (Frühzeit: weak-links, also Schwächlinge ). Ralf Decker verhalf so ungewollt dem Nurflügel zu einer Atempause, weil die unsinnige Aufrüstung mit Miniatomkraftwerken und Monsterwinden endlich beendet wurde. Damit wurde das Einbetonieren der Umlenkrolle zu Wettbewerbsbeginn, was wohl die nächste logische Konsequenz gewesen wäre, sicher verhindert. Die Zeiss-Gläser zum Wiederauffinden des Modells nach dem Hochstart konnte man wieder einmotten und alles wurde wieder herrlich normal. Wären da nur nicht diese Eierpfeile, die immer noch ohne Höhenleitwerk fliegen und das sogar von Saison zu Saison immer besser. Normwinden als Artenschutz...

Die Entwicklung ist inzwischen vor allem dank dieses Modells rasant vorangeschritten, daß heute niemand mehr ein EH1,0/9 einbaut. Auch eine größere Verwindung ist heute Usus geworden, die Nachteile waren damals ohne Frage überbewertet worden. Auch größere Pfeilungen werden erfolgreich eingesetzt, weil die Bautechnologie erheblich verbessert worden ist. Das war einer der wesentlichen Gründe, warum das 1986 bei der "Stromburg" demonstrierte aerodynamische Konzept mit großer Pfeilung erst sehr spät beim F3B Nurflügel Einzug fand. Strukturmechanik und Pfeilflügel waren beim F3B Hochstart lange Zeit Intimfeinde. Kohlefaser diagonal, spielfreie Flügelsteckungen und monsterstarke Servos bereiteten den Weg. Einen nicht abgestuften Holm braucht niemand mehr zu bauen. Man baut schön der Strukturmechanik entsprechend und denkt manchmal abends daran, daß große Flügelaußenmassen auch große Flügelmittenverstärkungen erfordern. Aber das alles sind Entwicklungsschritte, die erst mit Hilfe dieses Modells hier eingeleitet werden konnten.

Es war darüber hinaus das erste Modell, das ich gesehen habe, bei dem man im Landeanflug bequem einen ansatzlosen Außenloop plazieren konnte. Unglaublich trocken. Ich habe noch keinen F3B Leitwerkler gesehen, der sowas auch nur annähernd könnte, wirklich cool. Auch heutzutage übrigens nicht. Wir schreiben das Jahr 2002. Wer mehr über dieses großartige Design und vor allem seine Entwicklung erfahren möchte, sollte sich das Büchlein Faszination Nurflügel kaufen. Da steht das und noch einiges mehr drin...


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© Hartmut Siegmann 2000-2002