Die Flugzeugzelle der Æ-22 stammt zum Teil vom Æ-6 »Ghost Castle«. Das war ein Elektrobrett mit Speed 600 7,2V Antrieb, welches extrem leicht gebaut war. Der Rohbau wog vor dem Bespannen 160g, bei immerhin 2m Spannweite. Mit 7 Zellen Sanyo Cut-Off lag das Abfluggewicht bei 960g. Das Brett wurde über ein zentrales Mittenhöhenruder und Seitenruder gesteuert. Es hatte nur 6° V-Form je Seite, wodurch die Seitenruderwirkung zum Teil etwas gering war, aber es reichte.
Das Profil HS-5 (HS 3,0/9,0 mod.) zeigte mit Folienbespannung eine Tendenz zu laminaren Strömungsablösungen, aber insgesamt guten Durchzug im Gleitflug, sobald die Strömung anlag. Wenn wie von Geisterhand der Laminar-Turbo zugeschaltet war, lief das Brett richtig gut und konnte in großer Höhe sehr schnell von Thermik zu Thermik hopsen. Es war in dieser Hinsicht im Vergleich zur damals vorherrschenden Kategorie der Jammerflieger - wegen der jämmerlich kreischenden Getriebe (Mosquito & Co.) - trotz Direktantrieb im Einsatzbereich überlegen und hat sehr viel Spaß gemacht. Lediglich der Relais-Schalter klebte häufiger fest oder die Motor-Bremse (EMK) wirkte nicht. Das waren damals normale Probleme, die jeder hatte und für die es viele kleine Lösungen gab - oder man lebte einfach damit.
Das Modell habe ich bei verschiedenen F3E-Jedermann Wettbewerben eingesetzt. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Beim 5m Limbo Durchflug bei den 2x4 Minuten Flugaufgaben kam mir der sehr gute Durchzug zu gute, aber den Vorteil verlor ich wieder bei der Landewertung. Im Endeffekt fehlte eine Bremsklappe für konstante sekundengenaue Punktlandungen im Landekreis ø 30m/15m oder an der Landelinie, abhängig von der Wettbewerbsaufgabe.
Das ist extremer Leichtbau in reiner Holzbauweise. Man beachte die wenigen Stege nur in der Mitte und keine Beplankungsfelder. Beim Nurflügelcup in Uelzen 1991 flog ich mit dem Æ-06 »Ghost Castle« in einer Wettbewerbspause. Beim zu schnellen Durchflug durch eine Thermik brach der linke Tragflügel knapp neben dem Rumpf durch, Torsions-Biegebruch ausgehend vom Einschnitt der Mittenhöhenruderklappe. Wegen des unterdimensionierten Holms im Mittelflügel aus 5x3 mm Kiefernleiste und der fehlenden Torsionsbeplankung kam es zu diesem Absturz.
Im Rahmen der notwendigen Reparatur der Æ-06 habe ich im Jahr 1993 den Flügel komplett umgebaut und daraus eine Seglerversion mit Elevons, aber ohne Seitenruder und Seglerrumpf entwickelt; das ist das Projekt Æ-22 V1 »Summerdream«. Dieses Brett habe ich damals hin und wieder auf F3B-E und F3J Wettbewerben in Norddeutschland eingesetzt, wenn meine »Cobra T« (Tragflächenbau Müller) gerade defekt war, mein ansonsten bevorzugter Thermiksegler Anfang der 90er Jahre.
Das Brett »Summerdream« ist seit 1993 Work-in-Progress und ich nutze es immer wieder gerne als Erprobungsträger, weil es verschiedene reproduzierbare Eigenarten im Flugverhalten aufweist. Neben der bezogen auf das Gewicht exzellenten Schnellflugleistung, bietet das Brett auch sehr gute Thermikflugleistungen, die aber etwas schwierig herauszukitzeln sind und stets eine Herausforderung darstellen.
Die Flugerprobung zeigte, dass der Flug ohne Seitenruder ziemlich unrund ist und phasenweise gewaltige Schiebewinkel mit sich bringt. Abgesehen davon trat ein Wippen auf, das ich von der Elektroversion nicht kannte. Die hohe Masse des Elektroantriebs reduziert die Eigenfrequenz der Nickschwingung, so dass das unangenehme schnelle Wippen dort in einer normalen Phygoide verschwindet. Lediglich im schnellen Gleiten am Hang konnte die Auslegung mit Elevons und Bremsklappe überzeugen, nicht jedoch im Thermikflug.
Eines schönen sonnigen Tages hatte ich mit der Blauthermik an dem kleinen Hang zwischen Altdorf und Böblingen schwer zu kämpfen, Thermikanschluss zu finden. Die letzten Thermikfetzen erwischte ich irgendwie, aber dann fiel ich jedes Mal nach unten heraus. Ätzend! Entspannt kreisende Geier zeigten, dass es gute Thermiken gab, aber aus der mickrigen Überhöhung am Hang bekam ich keinen Thermikanschluss. Aus Frust habe ich den Schwerpunkt mit Bleiplatten unten am Seitenleitwerkssporn so lange zurückverlegt, bis das Modell nahezu unfliegbar war. Auf einmal fand das Modell von selbst jeden Thermikhauch, sog sich förmlich hinein und taumelte wie ein welkes Blatt nach oben! Gut, mit der nun erreichten Höhe konnte ich mangels Flugeigenschaften wenig anfangen, aber ich hatte zwei anstrengende Flugstunden oberhalb der Inversionsschicht gewonnen.
An diesem Tag gelang es keinem anderen Segler durch diese Schicht in der Blauthermik zu steigen. Das sorgte für allgemeinen Frust bei den Kollegen, wie dieser offensichtliche Nichtskönner (wie der da oben rumtaumelt!) das schaffen konnte und das auch noch mit einem Brett-Nurflügel. Die Ellipsen lagen faul und träge in der Wiese und mussten dem Elend da oben zusehen. Das kann nur Anfängerglück sein - und reichlich davon. Das Hauptproblem war der Abbau der gewaltigen Flughöhe, denn trotz Außenloopings und Steilspiralen stieg das Miststück effektiv weiter nach oben. Irgendwann schaffte ich es dann raus aus der Steigzone und landete bei Fuß. Doch kein Anfänger. Allgemeines Stirnrunzeln: Was war das? Ganz einfach: Stabilitätsmaß von 4,5%, und sonst nichts.
Diese Flüge im Sommer 1998 sind mir in guter Erinnerung geblieben und führten später zu einer weiteren Modifikation im dritten Leben dieser Zelle.
Aufgrund der Erfahrungen im Thermikflug war die Nachrüstung des Seitenruders bei der V1B obligatorisch. Bei der Inspektion der Zelle 2015 fand ich allerdings so viele Ermüdungs- und Spannungsrisse am Rumpf, dass ich beschlossen habe, den Rumpf einer Grundüberholung zu unterziehen. Bei der ersten Landung wäre der mir sonst zerbröselt. Auf dem Foto ist der mit Kohlefaser (IM-500, 12k, 800tex) und Glasgewebe (interglas 02037, 49g/m²) verstärkte rote Rumpf gut zu erkennen. Der Sporn wurde etwas abgerundet, damit er bei der Landung nicht in der Wiese einhakt und das Seitenruder Servo (Dymond D60) im Seitenleitwerk eingebaut, um vorne Platz sparen.
Eine auftretende Instabilität in der Seitenbewegung im Langsamflug begrenzte die Experimente auf 5,5% Stabilitätsmaß. Dort beginnt bei Querruderausschlag eine Art Schiebedriftflug mit reduzierter Querruderwirkung, bei dem die Gefahr besteht, in ein Flachtrudeln zu geraten. Diesen Effekt hatte ich von den Flugversuchen mit der V1 in schlechter Erinnerung und das war auch der Grund für die Nachrüstung des Seitenruders. Der Fall ist also bei der V1B beherrschbar, aber immer noch ein Problem - zumindest dann, wenn man meint, mit weniger als 7,0% Stabilitätsmaß fliegen zu müssen! Deswegen ist am Seitenleitwerk der V1B ein Streifenturbulator aufgeklebt, um laminare Ablöseblasen als Ursache für dieses Verhalten ausschließen zu können, siehe Foto. Der Tragflügel ist zudem mit 8mm breiten Streifen Kreppband Turbulatoren auf der Oberseite bei 25% Profiltiefe und ca. 65% auf der Unterseite ausgestattet.
Ein weiterer Effekt tritt im Kurvenflug erwartungsgemäß auf, das Modell fällt derzeit noch etwas in die Kurve hinein. Das hat selbstverständlich mit dem überdimensionierten Seitenleitwerk zu tun, welches noch aus der ersten Erprobungsphase stammt und nicht heruntergestutzt ist. Dieser Zufall erspart mir in diesem Fall eine separate Untersuchung, ob das Seitenleitwerk zu klein ist, denn das ist es zweifelsohne nicht. Aufgrund der Instabilität infolge des negativen Wenderollmoments bei Querruder kann es derzeit ohnehin nicht verkleinert werden; zunächst ist der Tragflügel anzupassen. Das Ziel ist es, ein ausgeglichenes Kurvenflugverhalten im Langsamflug zu erhalten, das auch bei geringen Stabilitätsmaßen robust funktioniert. Derzeit erfordert der langsame Kurvenflug viel Aufmerksamkeit vom Piloten, welches mit ein paar Modifikationen am Tragflügel zu beheben sein sollte.
In der Flugerprobung zeigte sich also insgesamt, dass die V1B im langsamen Kreisflug nicht gut abgestimmt ist. Das Querruder wirkt schlecht und das Seitenruder führt zum Schiebeflug. Das bedeutet nichts anderes, als dass das Schieberollmoment einfach zu gering ist. Dagegen gibt es ein einfaches probates Hausmittel, man muss die V-Form erhöhen.
Die Æ-22 ist mit einer Tragflügelstreckung von 11,5 relativ hoch gestreckt, wenn man es mit vielen Brettern der 90er Jahre vergleicht und mit einem Fluggewicht von 534g auch noch sehr leicht. Es hat einen Grund, warum man hohe Flügelstreckungen bei Brettern eher meidet und das ist das Wippen. Das Wippen ist eine a-Nickschwingung mit ungefähr 0,5 bis 2 Hz [6, 7] und ist aufgrund der hohen Frequenz für den Piloten faktisch nicht auszusteuern. Das hatte bei der V1 das kleinste nutzbare Stabilitätsmaß limitiert. Zur Beseitigung des Wippens habe ich Streifenturbulatoren auf der Tragflügeloberseite bei 25% (siehe Foto) und 65% auf der Unterseite aufgeklebt. Die Maßnahme war erfolgreich, das Wippen tritt bei der V1B nicht mehr auf. Merke: Turbulatoren können gegen Wippen wirken, sind aber kein Allheilmittel, vgl. SB-13 [8].
Im Rahmen der Flugerprobung habe ich mit der V1B Stabilitätsmaße von 9,5 bis 5,5% getestet. Die Höhenrudertrimmung im Langsamflug hat sich durch die Turbulatoren ebenfalls signifikant verbessert. Die Klappen stehen nur noch -0,7 mm aus dem Strak, wohingegen früher bis zu -3,0 mm erforderlich waren. Insgesamt haben die Maßnahmen dazu geführt, dass die Nickeigenschaften jetzt ausgesprochen ausgeglichen sind. Das Brett fliegt mit den 8mm breiten Streifenturbulatoren aus Kreppband lammfromm ohne sichtbares Wippen.
Der Schnellflug war eigentlich auf den ersten Blick unauffällig, aber etwas schlechter als ohne Turbulatoren, eine unmittelbare Folge der verkürzten laminare Laufstrecke. Ganz ehrlich: Man baut kein Brett, um von Kevin mit seinem ARF Styropor Bröselkram da oben abhängt zu werden! Deswegen habe ich die breiten 8mm Streifen durch 4mm breite Streifen Kreppband ersetzt. Damit ist der schnelle Gleitflug auch wieder in Ordnung und Kevins Bröselkram folgt dem Brett im steilen Sinkflug. Es tritt trotz dieser Änderung weiterhin kein Wippen auf. Somit sind mehr oder minder alle Probleme gelöst, bis auf die Thematik rund um das Schieberollmoment. Bei 8,0% Stabilitätsmaß ist bei der V1B der beste Kompromiss aus Flugleistung und Flugeigenschaften gegeben.
Liebe Hangflieger, aufgepasst: Diese Version V1B mit der V-Form von 3,5° benötigt nur noch eine Verkleinerung der Seitenfläche um rund 20% und eine Vergrößerung der Bremsklappe um 10% - fertig ist ein sehr gut abgestimmter Hanghobel! Das Seitenruder ist auch im Hangflug zu empfehlen, weil die schwache Querruderwirkung im Landeanflug leicht zum Modellverlust führen kann. Mit Seiten- und Querruder ist das Brett im Landeanflug auch bei stark böigem Wind mit ausgefahrener Bremsklappe sehr gut zu kontrollieren.
Aktuell ist es aber mein Ziel, eine sehr gute Abstimmung für den Thermikflug zu finden, weswegen bei der V2 eine weitere Modifikation des Tragflügels erfolgt, die einer reinrassigen Hangflugauslegung nicht gut stehen würde.
Die V2 basiert auf der Weiterentwicklung der Flugzeugzelle Æ-22 V1B, bei der ich den ursprünglich einteiligen Tragflügel fünfteilig aufgetrennt habe. Dadurch lässt sich in gewissen Grenzen die V-Form mit wenig Aufwand verändern, um die Kurvenflugeigenschaften zu optimieren. Die jetzt gewählten 7 und 21° sollen in der Thermik zusammen mit der modifizierten Verwindung die Kreisflugeigenschaften im Langsamflug verbessern. Darüber hinaus war für den Urlaub der einteilige Flügel einfach zu unhandlich. Jetzt passt der »Summerdream« in eine Transportbox mit nur einem Meter Länge, was ein sehr handliches Maß ist.
Interessantes förderte das Öffnen des Tragflügels zu Tage: Ich hatte schlicht vergessen, dass ich damals 1991 dem Basisprofil HS-3,0/9,0 etwas mehr S-Schlag an der Profiloberseite verpasst hatte, so dass es sich um ein modifiziertes Profil handelt. Lustigerweise fiel mir genau diese Modifikation erst wieder ein, als ich das Profil sah! Nunja, der Airframe ist ja auch schon 25 Jahre alt, da kann man so etwas schon Mal vergessen. Diese Modifikation hatte ich damals aus Zeitgründen zeichnerisch durchgeführt. Beim aktuellen Umbau habe ich das modifizierte Profil abgezeichnet, eingescannt und digitalisiert. Das rekonstruierte Profil hat die Bezeichnung HS-5 erhalten.
Zur Demonstration der Schwerpunktverschiebung habe ich ein kurzes Video (MP4, H.264) zum Download bereitgestellt.
Last but not least habe ich wegen der im Urlaub immer unpässlichen Wetterlage ein Ballastrohr im Rumpf eingebaut, in das 8 Stück Ballast à 100g hinein passen. Durch den Ballast sollte die V2 mit 1600g Abfluggewicht bis zu einer Windstärke von 8 Bft fliegbar sein. Es ist klar, dass die Rippenbauweise mit dieser Ballastoption von der Struktur her betrachtet am Limit ist. Der nachträgliche Einbau eines Ballastrohres im Flügelmittelteil war mir zu aufwändig, auch wenn es strukturell gesehen die bessere Variante gewesen wäre. Aber egal wo nun der Ballast untergebracht ist, Hauptsache man kann bei stärkerem Wind überhaupt fliegen. Das bedeutet im Endeffekt ein Modell weniger für den Urlaub einpacken zu müssen.
Querruder und Seitenruder sind erforderlich, um ruppige Bärte auszukurbeln. Bei hohen Anstellwinkeln reagiert das Brett V2 nur sehr träge - gefühlt gar nicht - auf das Querruder, dafür umso besser auf Seitenruder; genau umgekehrt stellt sich das bei niedrigen Anstellwinkeln dar! Im Langsamflug wirkt das negative Wendemoment mit laminarer Strömungsablösung zusammen, was die Querruderwirkung bei der V2 nahezu eliminiert. Bei der geringeren V-Form der V1 (3,5°) war dieser Effekt nicht so ausgeprägt, aber im Langsamflug ist die Querruderwirkung merklich reduziert. Das war der Grund für die Nachrüstung des Seitenruders bei der V1B. Mit beiden Rudern zusammen aber lässt sich das Brett V2 jederzeit sehr gut kontrollieren, egal ob nahe am Strömungsabriss oder im Schnellflug.
Der Pilot muss nur darauf achten, das richtige Ruder in der jeweiligen Flugsituation einzusetzen! Der sogenannte "Combi-Switch", also der Mix von Querruder auf das Seitenruder ist für wenig geübte durchaus zu empfehlen, auch wenn das unter Experten verpönt ist. Ich habe mich nur anfangs gewundert, warum die V2 nicht reagierte, als ich das falsche Ruder für die jeweilige Flugsituation verwendet habe. Bei einem Brett wie der V2 sind wegen der Steuerbarkeit für den Allround-Einsatz daher Elevons und Seitenruder zu empfehlen.
Fazit der Umbaumaßnahmen: Die Nachrüstung des Seitenruders, Erhöhung von V-Form und Verwindung zeigten den gewünschten Erfolg im Kurvenflugverhalten. Die Schwerpunktverschiebung ist sehr komfortabel und vereinfacht den Thermikeinstieg signifikant. Das Brett sucht sich bei 4-5% Stabilitätsmaß fast selbst seinen Weg in die Thermik, während man es bei 8% Stabilitätsmaß aktiv in die Thermik hinein steuern muss. Die Erfolgsquote beim Anreißen eines frischen Barts steigt damit um mehr als 50%. Schwalben und Geier haben diesen Hinweis mehrfach dankend angenommen und sind gleich mit in den Bart eingestiegen.
In diesem Abschnitt sind die Einstelldaten der Æ-22 V2 angegeben. Die Schwerpunktlage ist ein sehr sensibles Thema beim Brett, eigentlich das Thema überhaupt, daher ist hier große Sorgfalt erforderlich. Nicht ohne Grund heißt es der Legende nach vom bemannten Brett »Fauvel AV-36«, dass man allein mit Kopfnicken einen Looping fliegen könne und den Proviant vor dem Start abwiegen sollte [6]. Das führt das Thema der Schwerpunkt Sensibilität eines Bretts bildlich vor Augen.
Die Grundeinstellung dieses Bretts liegt bei 8,0% Stabilitätsmaß vor dem Neutralpunkt, was einer Schwerpunktlage von der Profilnase an der Tragflügelwurzel aus gemessen von 49,67mm entspricht. Mit Hilfe der bekannten Neutralpunktlage (AC = 64,13mm) und der Bezugsflügeltiefe von 180,67mm (1,0% = 1,8067mm) lässt sich das berechnen, aber das ist auf dem Flugfeld wenig praktikabel. Dafür verwende ich spezielle Aufkleber, damit man auf dem Flugfeld nicht auch noch permanent mit einem Taschenrechner herumlaufen muss.
Die selbst erstellten Aufkleber für die Schwerpunktlage geben direkt das Stabilitätsmaß an und sind in 0,5% (feine Skala) bzw. 1,0 Prozentpunkte (grobe Skala) des Stabilitätsmaßes unterteilt. Die Schwerpunktmarken außen markieren den Standardschwerpunkt bei 8,0% (CG) Stabilitätsmaß und den Neutralpunkt (AC). Mit dieser Schwerpunktlage fliegt das Brett sicher, gutmütig und vollkommen langweilig herum. Während der Flugerprobung kann auf diese Weise schnell das Setup in aufregender Weise geändert werden, bis hin zur Unfliegbarkeit, die bei 790g bei rund 3-4% liegt.
In der Tabelle unten sind die Ruderausschlagwinkel in Grad und Millimeter zur Orientierung der Einstellung eines solchen Bretts angegeben. Persönliche Vorlieben spielen da natürlich auch hinein, daher sind die Angaben nur als Richtwerte zu verstehen. Der Klappenausschlag ist wie üblich positiv (+) nach unten und negativ nach oben (-) angegeben. Die Ruderausschläge können bei wenig Wind und ruhigem Flugwetter gegenüber diesen Angaben um ca. 25% reduziert werden. Zur Erprobung der Ballast Optionen (100-800g) aber kam es nicht mehr, daher ist nur die Trimmtabelle für den unballastierten Normalflug angegeben.
Kanal | Benennung | Winkel [°] | Maß [mm] | Expo [%] | Note |
---|---|---|---|---|---|
1 | Bremsklappe | +0/-80 | N/A | 0 | |
2 | Querruder | ± 15,4 | ± 12,0 | 20 | Keine Differenzierung |
3 | Höhenruder | ± 16,8 | ± 13,0 | 50 | Offset -0,7mm @ s = 8,0% |
4 | Seitenruder | ± 33,6 | ± 46,0 | 0 | |
5 | Querruder | ± 15,4 | ± 12,0 | 20 | Keine Differenzierung |
8 | Schwerpunkt | (s 8-3%) | 49,7-58,7 | 0 | Verschiebung 55mm |
1>3 | Mix - Bremskl. Trim. | -7 (18%) | -5 | N/A | Neg. Nickmoment Bremsklappe |
3>2/5 | Mix - Elevons | 100% | N/A | N/A | Elevons |
Am 18.07.2015 war ein sonniger weißblauer Tag in Bayern, der gute Thermik versprach. Bereits mittags zeigten die Cumulus Überentwicklung und es begann vereinzelt zu tröpfeln. Starke Thermiken lösten sich mit böigem Wind von 3-5 Bft ab. Die beschriebenen konstruktiven Veränderungen von V1B zur V2 waren erfolgreich, das Kurvenflugverhalten war nun endlich ausgeglichen und harmonisch. Das Modell war unballastiert und wog 790g. Trotz des geringen Gewichts ließ sich der Wind von 2-5 Bft allein mit Hilfe der Schwerpunktverschiebung gut beherrschen, meist flog ich mit 6% Stabilitätsmaß.
Das Ende kam um 13:24 Uhr in Form einer Böe mit ca. 20 kts während des Bungee Starts. Der »Summerdream« hatte einen kurzen, aber heftigen Alptraum: Riesenhuber! [7] Gekoppelte Torsions-Biegeschwingung, weil das Bungee kräftig weiter zog. Der Tragflügel wurde durch die Torsionsbiegeschwingung exakt in der Mitte zerstört, wie auch zu erwarten war. Die folgenden Fotos zeigen das Bild unmittelbar nach dem Einschlag. Am diagonalen Bruchverlauf des Holms erkennt man deutlich, dass der Gurt infolge der gekoppelten Torsions-Biegebelastung versagt hat.
Aus Gewichtsgründen hatte ich 1991 auf eine Torsionsbeplankung in der Mitte verzichtet, denn der Tragflügel war für einen extrem leichten Elektroflieger konzipiert. Beim Elektroflug zählte damals jedes Gramm! Deswegen auch die offene Rippenbauweise ohne Beplankung. Das Mehrgewicht von 20g für eine Torsionsbeplankung im Mittenbereich wäre im Rückblick sehr gut investiert gewesen und hätte mir zwei Abstürze dieser Art durch Torsionsbruch erspart.
Der kohlefaserverstärkte Rumpf bekam beim Absturz keinen Kratzer ab und ist vollkommen intakt geblieben, ebenso die Außenflügel. Das Packmaß hat sich jetzt auf praktische 0,7m reduziert, was handelsüblichen Restmüllsäcken entspricht. Aber halt, das hier ist ein Untoter, der kommt wieder! Neuer Arbeitstitel: "The Walking Dead". Also bleibt wieder etwas, was auf dem Dachboden in den verbliebenen intakten Reststücken bis zur Wiederbelebung durch ein neues Mittelteil oder einen neuen Tragflügel eingelagert wird: Rest in Pieces.
Im Endeffekt wurde der Verstoß gegen Design Regel Nr.1 zu Recht hart bestraft und so schließt sich der Kreis zum »Ghost Castle«.
Quellen- und Literaturnachweis
© Hartmut Siegmann 1991-2015
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