Schwerpunkt
Schwanzlose und Nurflügel

Die Bestimmung des Schwerpunktes (SWP) bei Nurflügeln ist sehr einfach und genau, so daß man eigentlich nur bei gepfeilten Schwanzlosen mit Winglets manchmal etwas größere Abweichungen hat. Das ist anders als bei Leitwerklern, die offiziellen und legalen Methoden sind viel komplizierter! Es ginge auch bei denen einfacher, aber irgendwie scheinen da idiologische Barrieren zu existieren.
Zurück zu den Nurflügeln: Für faule Säcke, die es auch noch genauer als der Rest der Welt wissen wollen: für die SWP-Bestimmung kann und sollte man das Traglinienprogramm (Truckenbrodt) von Michael Möller verwenden. Darin wird der aerodynamische Neutralpunkt recht genau berechnet. Dann könnt ihr den Abschnitt zum Thema Fliegen - nein, euer Pech: nicht vergessen - sondern anschließend lesen.

 

Geometrische Schwerpunktbestimmung

Jungs, manchmal verstehe ich Euch wirklich nicht! Da gibt es das schöne Programm von Michael Möller und ihr wollt immer noch den SWP per Hand ermitteln. Das ist so, als wenn man nach der Erfindung des Papiers noch in Stein meißelt! Ein Glück, daß ein wahnsinniger Ägypter, Grieche oder sonstwas das kleine Übersetzungstäfelchen gemeißelt hat. An sich ne Lachnummer, aber ohne diesen einen Wahnsinnigen hätten wir mit den Hyroglyphen noch immer so unsere Probleme. Daher hier also die Schwerpunkt-in-Stein-gemeißelt-Methode. Spätestens bei Mehrfachtrapezflügeln werdet ihr hoffentlich vernünftig und macht das nicht mehr von Hand. Es geht tatsächlich auch bei Mehrfachtrapezen geometrisch, aber ich rede mir hier nicht mehr den Mund für ein paar Wahnsinnige fusslig, die noch mit Rechenschieber und Logarithmentafeln rechnen, weil sie der japanische Taschenrechner ja bescheißen könnte.
Also bitteschön, hier das graphische Verfahren in seiner Gesamtheit und Ausführlichkeit, mit den zu berücksichtigenden Grenzen angegeben. Kopiert es weiter, verbreitet es wie ihr wollt, aber stellt dazu keine Fragen mehr, hier ist jetzt wirklich alles erklärt!!!


Da ich eure Interpretationsfreudigkeit nur allzugut kenne, hier noch ein paar Hinweise:

  • Nurflügel sind Flugzeuge, die keine Seitenflossen haben (B-2, Horten, usw)
  • Schwanzlose haben Seitenflossen, sprich Winglets oder sonstwas (SB-13)
  • Bretter sind ungepfeilte Schwanzlose
  • unter "Pfeile" versteht man gepfeilte Schwanzlose oder Nurflügel
  • Nurflügel dürfen Rümpfe haben und sind doch Nurflügel
  • Nurflügel, die Seitenflossen haben sind Schwanzlose und keine Nurflügel
  • ein "Pibros" ist ein Delta
  • ein "ZAGI" ist ein gepfeilter Schwanzloser
  • Leitwerkler haben zwei Leitwerke
  • Deltas sind Deltas
  • die Erde ist eine Kugel
  • ...und ich geh jetzt ins Bett!!!

So, das haben wir geklärt. Und jetzt ist das Thema hoffentlich endgültig abgehakt und erledigt!!! Wer nicht weiß, ob er dieses Verfahren hier anwenden darf, rechnet mit dem Truckenbrodt, Ende! Und mit dem Truckenbrodt sollte man ebenfalls nicht mehr als 30° Nasenwinkel rechnen!!!

Ganz gewitzte verwenden natürlich dieses geometrische Verfahren auch dazu, ihr Pendelhöhenleitwerk endlich einmal sinnvoll zu lagern (vor oder im NP) und nutzen das Verfahren darüber hinaus zur Schwerpunktbestimmung an ihrem Leitwerkler, indem sie statt der 25% einfach die üblicherweise herumgeisternden 35-38% an der Bezugsflügeltiefe direkt als Schwerpunktmaß verwenden, aber ich will keine Blinden sehend machen und mein missionarischer Eifer in Schwerpunktfragen hält sich ohnehin in Grenzen, weil jeder denkt, er hätte Recht und wisse ganz genau Bescheid und vor allem kann der andere nie Recht haben, egal wie gut die Argumente sind, weil man ja selbst Recht hat...

Klassischer Fall
Zwei Modellflieger beim Diskutieren
von Schwerpunktfragen...

Ich habe also nichts gesagt und werde auch in Zukunft kein Wort mehr als unbedingt notwendig über das Thema verlieren. Reden wir jetzt lieber über die schönen Dinge des Lebens, das Fliegen nämlich...

 

Fliegen

Schwerpunktlage gepfeilte Schwanzlose

Entgegen der landläufigen Meinung ist die Abfangbogenmethode zum Erfliegen des Schwerpunkts für Pfeilnurflügel durchaus geeignet. Bitte beachten: Das Unterschneiden tritt im Vergleich zu Leitwerklern etwas verspätet, ersatzweise umso heftiger auf! Es kann passieren, daß das Unterschneiden nur mit Hilfe von Wölbklappen beendet werden kann, da das Höhenruder ggf. keine Wirkung mehr hat und aeroelastische Effekte selbige unterbinden. Das Resultat ist dasselbe: Klappspaten entfalten und Reste bergen.

Sofern das Unterschneiden in größerer Höhe auftritt und Höhenruder nicht mehr reagiert, greifen wir beherzt ins Querruder und drehen uns mit einer eleganten Rückenflugrolle (sprich: Abschwung) aus dem Unterschneiden heraus. Das sieht nicht nur cool aus, es hilft sogar!

Ganz eiskalte Kollegen greifen voll ins Tiefenruder, getreu dem Motto: Wenn man etwas nicht verhindern kann, kann man es wenigstens unterstützen. Sie beenden das Unterschneiden mit einem deftigen Außenloop und grinsen, sofern sie beim Laminieren der Flügel nicht geschlampt haben. Falls doch, dürfen wir grinsen, weil wir mit der Notrolle das Modell vermutlich nicht destrukturiert hätten und bieten unseren Klappspaten an, kostenlos. Selbstverständlich nur dann kostenlos, wenn wir der Bergung der Modellreste beiwohnen dürfen! Es ist immer schön, wenn es nicht das eigene Modell erwischt hat.

Merke: Bei Pfeilnurflügeln ohne Wölbklappen muss man SEHR VORSICHTIG zu Werke gehen, wenn ihr Euch an die hintere Schwerpunktlage herantastet! Mit Dual Rate einen im Flug zuschaltbaren Riesenausschlag (für Höhenruder) zu programmieren hat sich bewährt, hilft aber auch nicht immer. Der letzte Rettungsanker ist wie gesagt die Notrolle oder der Außenloop, abhängig vom persönlichen Nervenkostüm.

Stabilitätsmaß 4..12%

 

Schwerpunktlage Nurflügel

Es gilt dasselbe wie für gepfeilte Schwanzlose, mit dem kleinen Unterschied, daß man besser bei einem größeren Stabilitätsmaß startet. Grund ist das Handling um die Hochachse, das mit abnehmenden Stabilitätsmaß zunehmend fürchterlich wird. Oder anders gesagt: Das Herantasten an die hintere Schwerpunktlage bringt im Normalfall erst Probleme um die Hochachse, die bereits so massiv sind, daß man auf keine weiteren dummen Gedanken kommt. Ganz hartgesottene gehen noch weiter und tasten sich an die Unterschneidgrenze ran, obwohl sie bereits die Stabilitätsgrenze um die Hochachse irgendwo zwischen Sahelzone und Sahara zurückgelassen haben, sprich im Nirvana. Bitte, wer der Ansicht ist, ein taumelndes Blatt per Fernsteuerung durch die Luft bewegen zu müssen, darf das gerne tun. Der sollte sich aber nicht über das Unterschneiden wundern, denn Nurflügel mögen das noch weniger als gepfeilte Schwanzlose.
Bei kleinen Nurflügeln (Streckung 4..10) ist das Stabilitätsmaß eher unproblematisch und unkritisch, die Probleme um die Hochachse stellen sich in nur geringem Maße ein. Bei hochgestreckten Modellen sieht da anders aus: Das Modell darf an der gegenüberliegenden Talseite eingesammelt werden, da der Kurvenflug dank negativem Wendemoment nicht eingeleitet werden konnte...
Dafür fliegen die Kisten aber wirklich schön geradeaus! Nein, meist braucht man in diesem Fall nicht den Klappspaten. Wir legen uns aber mit dem Fernglas und dem Handy in der Hand in die grüne Wiese und begutachten die Kondition und Kletterkünste unseres Kollegen auf der anderen Talseite, während er sein Modell sucht. Dann freuen wir uns darüber, das Geschehen kommentieren zu können, während wir einem animalischen Schnaufen lauschen können, was uns ohne Handy nicht möglich wäre und so den Erlebniswert deutlich steigert...

Stabilitätsmaß 6..12% (L<10)

Stabilitätsmaß 10..17% (L>10)

Kleine Erinnerung: L ist die Flügelstreckung. L=Spannweite/mittlere Tiefe

 

Schwerpunktlage Bretter

Die beschriebene Methode des Einfliegens (siehe Leitwerkler) ist für Brettnurflügel nicht geeignet. In sehr begrenztem Umfang kann die Abfangbogenmethode angewendet werden, aber das wirklich nur in engen Grenzen. Wir können aber bei Brettern die SWP Lage so genau ermitteln, daß das kein Problem darstellt.

Man bemerkt eine hintere SWP-Lage an zunehmender Nervosität ums Höhenruder, Anstellwinkelsprünge (Rodeoritt durch die Luft) sind das Alarmsignal, ab hier wird es kriminell. Leider sieht ein Brett bei SWP-Vorlage fast genauso aus, also freut Euch lieber darüber, wie einfach und verdammt genau dieses Verfahren im Gegensatz zu den Leitwerklern ist, wo "nix genaues weiß man nicht" die beliebteste Variante ist. Ja, ich liege auch immer bei genau 38%, nämlich auf der Schnauze. Gut.

Wer mit leichter Schwerpunktvorlage seine Versuche beginnt, sollte am Ende den SWP weiter hinten liegen haben. Leistung und Handling verbessert sich dabei zumeist bis zu einem gewissen Punkt. Bei Brettern merkt man beginnende Schwerpunkt"rücklage" (geringes Stabilitätsmaß) zumeist an einem ganz massiven negativen Wendemoment, noch bevor die Probleme auf der Hochachse auftreten. Holzauge, sei wachsam! Wenn das passiert ist Vorsicht geboten, ab dann kann es aufregend werden!

Stabilitätsmaß 4..10%

 

Zuguterletzt noch etwas...

Dieses geometrische Verfahren stellt lediglich ein Näherungsverfahren dar. Der hier ermittelte Neutralpunkt ist der geometrische Neutralpunkt. Der liegt woanders als der aerodynamische ("echte") NP, hinter dem ein erheblich komplexeres Rechenverfahren steht. Das jeweilige Stabilitätsmaß unterscheidet sich dadurch ein wenig, beim geometrischen NP ist es verfahrensbedingt etwas größer (2-4%), weil der Schwerpunkt ja bei beiden Verfahren der Bezugspunkt ist.

Stabilitätsmaß s [%] ist, wenn Du diese Gleichung versehentlich in einer ruhigen Minute auf Dein Modell anwendest:

s = (xNP - xSWP)/lm * 100

lm ist wie immer die Bezugsflügeltiefe... Bitte nehmt bei den Längenmaßen dieselbe Einheit, besser ist das. Egal ob m, , ft inch oder nm! xNP kann man ganz einfach berechnen, ein hübsches Integral wäre zu lösen, aber das will ich gar nicht.
Je nachdem, ob ihr in diese Gleichung den geomtrischen oder aerodynamischen Neutralpunkt einsetzt, bekommt ihr eben das geometrisch oder aerodynamisch bezogene Stabilitätsmaß. Der Unterschied ist nicht gewaltig, aber eben doch vorhanden, worauf ich hier nur hinweisen wollte. Wenn der aerodynamische Neutralpunkt bekannt ist, nehmt ihr bitte den, weil das geometrische Hilfsverfahren nunmal nicht so genau ist, aber in den allermeisten Fällen genügt.

 

Das wirklich allerletzte

ALLE Verfahren mit festem 33%, 42,3%, 38% oder wasweißichwieviel Spannweitenbezug könnt ihr getrost vergessen. Das sind ausnahmslos Spezialfälle dieses Verfahrens hier! Glaubt ihnen nicht, ihr wißt es ab heute besser!

Mit diesem Verfahren hier könnt ihr Euch an Brettern, gepfeilten Schwanzlosen, Nurflügeln, ja sogar an Leitwerklern und toten Krähen versuchen, es haut immer hin, im letzteren Fall Euch dank des Gestanks. Das hat der himmlische Wolkenschieber so hingedreht. Legt vielleicht am nächsten Sonntag ein paar Dankesworte ein, falls ihr in einer näheren Beziehung zu einer der kirchlichen Institutionen stehen solltet, ich komme da so selten hin, seit meine Schwanzlosen keine Unarten mehr entwickeln, wie den guten alten "Propeller" zum Beispiel...