Göttingen Gö 765

Windkanaluntersuchungen Messerschmitt Me-163 Komet

Göttingen Goe-765
Datenblatt
[%] 1,633
fx [%] 25,5
[%] 14,400
dx [%] 30,1
rLE [%] 0,02100
ΔΘTE [°] 19,02
cm0 [-] +0,0495
a0 [°] +0,6381
∂ca⁄∂a 7,030
Profilplot
  • Profilkoordinaten
  • Abbildung Profil
  • CP Plot
  • Widerstandspolare
  • Leerfeld
  • Leerfeld

Das Profil Gö-765 von der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen (AVA) ist das Profil eines Windkanalmodells des unter dem Namen Messerschmitt Me-163 B Komet bekannt gewordenen deutschen Abfangjägers mit Raketenantrieb aus dem zweiten Weltkrieg. Der Flugzeugentwurf stammt von Prof. Dr. Alexander Lippisch aus der Delta Reihe von 1937. Es gibt Quellen jüngeren Datums, die bezeichnen das Gö 765 als "das" Profil der Me-163 Komet, aber auf Grundlage meiner eigenen Recherchen kann ich diese Einschätzung nicht teilen.

Es handelt sich hierbei aus meiner Sicht um eine Verwechslung zwischen dem Profil eines Windkanalmodells der AVA mit der Bezeichnung Gö 765 mit dem Profil der Me-163 B, welches die Bezeichnung Me 1.8 25 14-1.1-30 erhalten hat. Beim Original wurde nach den mir vorliegenden Quellen ein Profilstrak aus modifizierten NACA Profilen verwendet. Das Wurzelprofil hat den Namen Me 1.8 25 14-1.1-30 erhalten, was nach Abbot/Doenhoff auf eine Herkunft aus der NACA Reihe mit deutscher Modifikation hinweist. Das Gö 765 weist gegenüber diesem Profil 0,2% weniger Wölbung und 0,4% mehr Dicke auf, bei vergleichbarer Dicken- und Wölbungsrücklage. Die Profile sind also nur auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich. Auch von den Me Profil sind leider keine Koordinaten mehr bekannt, daher besteht zumindest die theoretische Möglichkeit, dass es sich um dasselbe Profil handeln könnte. Aber das ist aus folgendem Grund unwahrscheinlich: Die Nomenklatur der von den deutschen Wissenschaftlern erweiterten NACA Profilreihe erlaubt zur genaueren Beschreibung der Profile Nachkommastellen, demzufolge müsste der korrekte Alias Me 1.6 25 14.4-1.1-30 lauten, was aber nicht der Fall ist. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass diese Profile sich zwar zum Verwechseln ähnlich sind, es sich aber nur um ähnliche Profile aus unterschiedlichen Projektphasen des Messerschmitt Projekt X handelt. So hieß das Projekt bei Messerschmitt zu Beginn.

Lippisch beschreibt retrospektiv nach dem Krieg in seinem Buch "Ein Dreieck fliegt" die Verwendung eines NACA Profilstrak für das Delta DFS 39 von 1937. Die Me-163 A wurde laut Lippisch von der DFS 39 (Delta IVc) abgeleitet und das war somit faktisch der Prototyp für das spätere Messerschmitt Projekt X (Delta IVd). Insofern ist es als wahrscheinlich anzusehen, dass es sich um eine Legende handelt, was die Verwendung des Gö 765 an der Me-163 B Komet anbelangt. Die hier angegebenen Koordinaten wurden aus Profilrisszeichnungen vom Windkanalmodell rekonstruiert.

Bei einem Flugzeugentwurf wie dem Delta IV/Me-163 gibt es immer mehrere Windkanalmodelle und Entwicklungsreihen mit unterschiedlichen Profilen zum Zweck von Parameterstudien. Sicherlich gibt es in irgendwelchen Archiven noch Blaupausen oder vielleicht sogar Originalpläne, die exakte Belege enthalten. Mir sind lediglich die widersprüchlichen Angaben aus verschiedenen Quellen der Neuzeit aufgefallen. Daraufhin habe ich in meinem Archiv ein wenig recherchiert und ältere Quellen überprüft, die für das Original jeweils nur einen von den NACA Profilen abgeleiteten Profilstrak angeben.

Die Aerodynamische Versuchsanstalt Göttingen (AVA) hat zu dem Messerschmitt Projekt X und den Nachfolgeprojekten Profile für Windkanalversuche beigestellt, das steht außer Frage. Hierzu gibt es überlieferte Originalberichte und Pläne. Der Bericht Nr. 38/18 von Auftrag/Modell-Nr.: "J-7010" wurde auf einem Plan mit Bleistift als "163 A" gekennzeichnet, wobei das Projekt noch die M-V-Form des ursprünglichen "Delta IVd" aufweist und nicht die 0° V-Form der späteren Me 163. Die Angaben von Lippisch und anderen weisen übereinstimmend auf die Verwendung von modifizierten NACA Profilen hin:

Messerschmitt Me 163B Komet
Wurzelprofil Me 1.8 25 14-1.1-30
Außenprofil NACA 00008-1.885-20
Verwindung -7,03°

Das geheimnisvolle Profil "Me" ist nichts anderes als ein von den Aerodynamikern der Messerschmitt AG modifiziertes vierstelliges NACA, welches anhand der Nomenklatur wie folgt aufzuschlüsseln ist:

Innenprofil Me 1.8 25 14-1.1-30 Außenprofil NACA 0 0008-1.885-20

Das Problem ist nur, dass sowohl die vollständigen mathematischen Gleichungen zur Umrechnung verloren gegangen sind, wie auch die Koordinaten, so dass sich das Profil nicht mehr mathematisch eineindeutig rekonstruieren lässt. Zumindest partiell sollte ein Nachentwurf mit diesen Angaben mit Hilfe des NACA Research Momorandums und der Erklärung von Jeff Scott ganz gut gelingen. Insofern ist das Gö 765 in diesem Fall für einen Nachentwurf eine sehr gute Orientierung für das Wurzelprofil, auch wenn es von einer Zeichnung rekonstruiert wurde.

Im Buch Theory of Wing Sections sind diese sogenannten "German Airfoils" behandelt. Koordinaten habe ich leider keine, aber wie man hier gut erkennen kann, liegt man beim Gö 765 sehr nahe am Me 1.8 25 14-1.1-30, was die Me-163 B Komet betrifft. Die Profile der Me 163 A sind bei Lippisch im Buch als Bild vom Projekt DFS 39 abgedruckt und das sieht optisch an der Wurzel nach einem modifizierten NACA-23014 aus, außen nach NACA 0008 mit reduzierter Dickenrücklage. Die von Lippisch beschriebenen schlechten Überzieh- und Landeeigenschaften mit ansatzlosem Trudeln passen zu einem deratigen Profilstrak. Denn trotz Anstellwinkel der Wurzel von +3°20' und -3°42' am Außenflügel (effektive Verwindung -7,03°) trudelte die Me-163 A/B spontan. Die Schlitze am Außenflügel sind erforderlich, um die Saugspitze am Außenprofil zu reduzieren, die zum Strömungsabriss führt.

Bei Nachbauten empfiehlt es sich daher den Schlitz ebenfalls einzubauen oder einfach außen ein auftriebsstärkeres Profil zu verwenden. Das Erkenntnis, dass bei starker Zuspitzung die auftriebsstärkeren Profile wegen der Flugeigenschaften außen zu verwenden sind, war damals noch nicht vorhanden. Erst Ende der 1980er bis Ende der 1990er Jahre wurden diese Grundlagen für den Nurflügelentwurf mit Hilfe moderner Wirbelleiter- und Panelverfahren erarbeitet, was heute wie selbstverständlich erscheint. Daher die Notlösung mit dem offenen durchströmten Schlitz am Außenflügel, weil die Ursache, der zu niedrige Maximalauftrieb des Außenprofils damals nicht bekannt war. Die Pfeilflügeltheorie steckte zu dem Zeitpunkt noch in den Kinderschuhen, wordurch keine Berechnungen möglich waren, wie das heute selbstverständlich der Fall ist. Für die Speedleistung ist der Schlitz eigentlich keine widerstandsarme Lösung, aber da die Me-163 war mit dem Walther HWS ohnehin vollkommen übermorisiert und 1000 km/h schnell, daher war das nicht weiter relevant. Bei Nachbauten kann das aber ein Thema sein, daher hier der Hinweis auf diese Auslegungsthemen.

Aerodynamisch gesehen ist das "Gö 765" ein Innenprofil für große Deltas und Bretter mit ordentlicher Bauhöhe. Dank des positiven Momentenbeiwerts insbesondere bei großen Re-Zahlen kann man es selbstverständlich auch bei ungepfeilten Brettern gut verwenden. Für originalgetreue Nachbauten der Me-163 in größerem Scale Maßstab ist das Gö-765 in jedem Fall sehr gut geeignet, die minimalen Unterschiede zum Original werden optisch nicht erkennbar sein.

Fazit: Profil für den Nachbau einer Messerschmitt Me-163 Komet

Quellen- und Literaturnachweis