Der ultimative Profilvergleich - E205 vs. SD7037

Märchen und Mythen

Moderne Profile sind superkritisch und müssen hypergenau gebaut werden. Solche Gedanken geistern seit Jahrhunderten durch die Köpfe von Modellbauern. Das E205 gab es schon immer und außerdem ist es alt und deswegen vollkommen unkritisch. Schön, wenn das so ist, dann brauchen wir uns nicht weiter zu unterhalten. Aber viele Modellbauer sind mit dem E193, E205 und Konsorten kreuzunglücklich gewesen. Warum ist die Frage, mit der wir uns beschäftigen wollen.

Das E205 hat eine Stärke, die den meisten Leuten nicht aufgefallen ist: Es hat einen recht geringen Profilwiderstand (cw) im unteren Auftriebsbereich (ca), sprich im Schnellflug. Ich habe solch einen E205 Flügel in Sandwichbauweise herumliegen. Im Langsamflug naja, im Gleitflug ätzend, aber im Speedflug ehrfurchtgebietend! Das Modell ist ein Grund, sonntags wieder in die Kirche zu gehen. Wenn man das Modell laufen lässt, dann läuft es wie die Pest! Sobald man aber in den normalen Gleitflug zurückschaltet, ist es schlagartig vorbei mit der Herrlichkeit. Das war für mich der Grund, mich näher mit den Auslegungsdetails des E205 auseinanderzusetzen und damit beginnen wir jetzt einfach.

Die Geschwindigkeitsverteilung

Der Strömungsumschlag

Die theoretischen Polaren

Die Windkanalmessung

Das Wort zum Sonntag

 

Die Geschwindigkeitsverteilung

Bevor wir in die Details der Betrachtung einsteigen, ganz kurz eine kleine Einstiegshilfe, damit wir uns gleich besser verstehen. Versprochen, nur ein paar Sekunden Grundlagenwissen:

Gut. Man kann nun in einer langweiligen Minute die Strömungsgeschwindigkeit über die Profiltiefe aufzeichnen und sich das ganze dann als Bild an die Wand nageln. Dazu habe ich ein kleines Bild vorbereitet, das wir uns mal gemeinsam anschauen:

Geschwindigkeitsverteilung

 

HALT, stehengeblieben! Niemand rührt sich von der Stelle!!! biggrin biggrin biggrin

Hehe, ich kenn euch doch Jungs! Das ist genau die Stelle, wo ihr normalerweise das Modellflugbuch zuklappt und es in die Ecke schmeißt, wo es zumeist auch hingehört, weil die meisten Sachen da unzureichend erklärt werden. Hier aber nicht!

Was ist das denn?

Nun, das sind die Geschwindigkeitsverteilungen der Profiloberseite der beiden Kontrahenten. Warum nur die Oberseite? Die Oberseite treibt uns im Normalflug in den Wahnsinn und verschafft uns süße Alpträume. Die Unterseite hat sich derweil mit der laminaren Strömung auf eine Lauflänge von 90-100% (x/c=0,9..1,0) geeinigt und verhält sich ruhig, so daß wir sie bei diesen beiden Profilen nicht betrachten müssen.
Den Anstellwinkel von +4,0° (bezogen auf den Nullauftriebswinkel!) habe ich nur deswegen herausgesucht, weil er schön anschaulich ist und keine der üblichen Schweinereien (Saugspitzen) den Blick aufs Wesentliche versperren.

Was erkennen wir?

Die Kurven zeigen, wie schnell an welcher Stelle die Strömung über das Profil fließt. Da seht ihr vorne zwei Punkte in den Kurven eingezeichnet, die markieren die maximale Geschwindigkeit der Strömung. Aha, wie war das nochmal mit dem Beschleunigen und Verzögern??? Siehe Liste oben! Von der Nase aus bis zu diesem Punkt wird die Strömung beschleunigt, danach wird sie wieder heruntergebremst. Bei welchem Profil wird stärker und zugleich auf kürzerer Strecke gebremst? Aha, das E 205 quietscht auf der letzten Rille, während SD7037 bereits frühzeitig daran denkt, dass da 'ne rote Ampel in Form der Endleiste kommt.

Mit ein Grund für die Auslegung von Eppler waren die damals noch recht unbekannten Verhältnisse und auch ungenauen Vorhersagen bei Strömungsumschlägen. Damals wurden Strömungsumschläge mit Gewalt erzwungen, um in einem gewissen Profilbereich den Umschlag zu erzielen. Bei großen Rezahlen ist dieses Rezept sehr erfolgreich, weil der Umschlagspunkt durch diese Maßnahme wenig wandert. Damit hat man eine mehr oder minder feste Postion des Turbulators, die über einen großen Bereich optimal ist. Bei kleinen Rezahlen führt dieser scharfe Druckanstieg unweigerlich zur Ausbildung großer Ablöseblasen, weil der lokale Druckanstieg für unsere Rezahl zu hoch ist. Und genau das ist das Problem des E205, mit dem wir uns im weiteren beschäftigen werden.

Der Overkill

Jetzt geben wir es uns dreckig: Das ist das ganze Geschwindigkeitsdiagramm, mit Ober- und Unterseite. Etwas unübersichtlich. Jetzt ist hoffentlich klar, warum ich den besonderen Ausschnitt (+4°) eben gewählt habe, über den wir uns bereits unterhalten haben.

CP Plot

Man erkennt sehr schön den "Buckel" des E205 im mittleren und unteren Anstellwinkelbereich, also den Auslöser für die Blasenorgie auf der Profiloberseite, die wir uns unten in der Polare zu Gemüte führen werden. Zwar entnimmt das E205 der Strömung im vorderen Bereich mehr (Auftriebs-) Energie, indem sie die Strömung etwas stärker als das SD7037 beschleunigt, aber vor der Profilendleiste sind alle Profile gleich: Man muß den negativen Druckaufbau ("Sog") wieder abbauen. Das E205 muß also einen stärkeren Druckanstieg zur Endleiste bewältigen, was man deutlich in der konkaven Geschwindigkeitsverteilung erkennt.

Diesen Verlauf hätte man auch linear gestalten können (vgl. NACA), was wohl die bessere Wahl gewesen wäre, um die schlimmsten Blasenprobleme zu umgehen. Die für unsere Reynoldszahlen beste Lösung dürfte aber das SD7037 bieten, weil es einen ganz weichen kontinuierlichen Druckanstieg (=Geschwindigkeitsabfall) bietet. Das ist im übrigen der Trick aller "modernen" Profile. Einziger Nachteil dieser Maßnahme ist, daß der Umschlagspunkt der Strömung über große Teile der Profiltiefe wandert. Wenn man einen Turbulator optimal platzieren will, wird man bei solch einem Profil schier wahnsinnig. Aber wenn man deswegen überhaupt gar keinen Turbulator braucht, könnte das ein lohnendes Geschäft werden!

Darüber hinaus erkennen wir noch einen kleinen, aber wesentlichen Unterschied im Nasenbereich (x/c=0,0..0,05), der aber noch sehr wichtig werden wird. Bei +8° und +10° (v=1,65 und v=2,0) verläuft die Geschwindigkeitskurve des E205 oberhalb der des SD7037. Was heißt das? Saugspitze (=hohe lokale Geschwindigkeit). Danach bremst die Strömung ab, wird also früher turbulent umschlagen als beim SD7037.
Wir erkennen also bereits hier einige kleine, aber feine Unterschiede, die sich nachher zum Teil sogar fatal auswirken werden.

 

Der Strömungsumschlag

Wieder ein neues Diagramm. Um was geht es hier? Das Diagramm zeigt die Lage, sprich Position des Strömungsumschlages von laminar zu turbulent. x/c=0 ist die Profilnase, x/c=1 die Endleiste. Anders gesagt: Wir sehen hier das explizit ausgeführt, was wir nach der Betrachtung der Geschwindigkeitsverteilung nurmehr vermuten konnten: Wo und wann passiert der Übergang von laminarer Strömung zur turbulenten Umströmung.

Umschlag

Beispiel SD 7037

ca laminare Laufstrecke Profiloberseite Profilunterseite
1,0 bis 12% der Profiltiefe bis 100% der Profiltiefe, voll laminar
0,5 bis 50% der Profiltiefe bis 92% der Profiltiefe
0,2 bis 67% der Profiltiefe bis 64% der Profiltiefe
0,0 bis 78% der Profiltiefe vollturbulent ab Nase (0%)

Beispiel E205

ca laminare Laufstrecke Profiloberseite Profilunterseite
1,0 vollturbulent ab Nase (Re 60 000) bis 96% der Profiltiefe
0,5 bis 40% der Profiltiefe bis 94% der Profiltiefe
0,2 bis 45% der Profiltiefe bis 93% der Profiltiefe
0,1 bis 46% der Profiltiefe bis 91% der Profiltiefe
0,0 bis 48% der Profiltiefe vollturbulent ab Nase (0%)

Was erwarten wir ausgehend von diesen Betrachtungen in der Polare? Das E205 hat aufgrund der Profilunterseite klare Vorteile im Schnellflug (ca=0,1) und wird hier sicherlich gegenüber dem SD7037 die Nase sprichwörtlich vorne haben.

Im senkrechten Sturzflug (ca=0,0) haben beide Profile vollturbulente Umströmung auf der Profilunterseite, allerdings hat das SD7037 hier mit 78% Laufstrecke auf der Profiloberseite gegenüber den 48% des E205 sicherlich Vorteile. Hier wird das SD 7037 vergleichsweise besser abschneiden. Vor dem Hintergrund der vollturbulenten Unterseite wird es trotzdem nur ein bescheidener Vorteil sein, aber immerhin.

Im Langsamflug steht das E205 grausig schlecht da. Vollturbulent auf der Oberseite und etwa 96% laminare Laufstrecke auf der Unterseite wird sich ganz klar rächen! Den ersten Fingerzeig dazu habe ich bereits bei der Besprechung der Geschwindigkeitsverteilung gegeben: bei den Kurven +8° und +10° hat das E205 eine schärfere Saugspitze an der Profilnase ausgebildet und das ist der Grund für die vollturbulente Umströmung. Die Profilnase müßte also etwas runder gestaltet werden, um hier eine geringe laminare Laufstrecke zu ermöglichen. Klarer Sieg nach Punkten hier für das SD7037. Lediglich die 100% auf der Profilunterseite sind eine kleine Lüge. In der Realität werden hier abhängig von der Schärfe der Endleiste aufgrund der Endkantenumströmung nur 98-99% zu finden sein.

 

Die theoretischen Polaren

So, nach so viel Vorarbeit kommen wir jetzt zu dem, auf das alle gewartet haben: Den Polarenvergleich. Hier sehen wir die Konsequenz all dessen, was wir bisher betrachtet haben. Erinnert sich jemand an die P-51D Mustang? Ja, das ist auch nicht schwer. Was war ein Geheimnis dieser Kiste? Ahja, da war doch was mit den Laminarprofilen. Wir wissen zwar nicht genau, was laminare Strömung ist, aber das macht weniger Widerstand. Aha. Das Umschlagsdiagramm!!! Demnach müßte also das Profil, das auf Ober- und Unterseite insgesamt die längere laminare Laufstrecke hat, den geringeren Widerstand aufweisen.

Polarenvergleich

Hier habe ich mal beide Diagramme kombiniert, daß man das gesagte nachvollziehen kann. An dieser Stelle empfehle ich kurz in die Beispiele zum Thema Strömungsumschlag zurück zu gehen, da habe ich die Zusammenhänge bereits detailliert erläutert.

Polarenvergleich

Dieses hier ist die Polare nach dem Eppler Rechenprogramm ohne Blasenrechnung. Das heißt, daß Programm schreit "Blase", tut aber so, als würde sie nicht existieren. Daher der "glatte" Verlauf der E205 Polare trotz haufenweise Blasenwarnungen. Der aktuelle Eppler Code verfügt über sehr detaillierte Blasenmodelle, aber das für unsere Zwecke beste Programm ist und bleibt vermutlich das X-Foil von Prof. Mark Drela, zumindest was die Widerstandsvorhersage betrifft. Die Auftriebsvorhersage (camax) wird vom Eppler Code sehr viel genauer berechnet und stimmt nahezu mit den Windkanalmessungen überein.
Warum habe ich dann diese Vergleichsrechnungen mit dem Uralt-Eppler durchgeführt, wo das X-Foil doch gerade im Widerstandsbereich besser ist? Ganz einfach: Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit. Nichts ist übersichtlicher, als die ideale Theorie ohne "Dreck", also Blasen drin. Und auch die besten X-Foil Rechnungen kann man durch nochwas besseres ersetzen, nämlich durch Windkanalmessungen! Und genau das werden wir jetzt tun.

 

Die Windkanalmessung

Ja, was nervt der Typ mich eigentlich die ganze Zeit mit Rechnungen, mag sich der eine oder andere denken. Nun, um die grundsätzliche Problematik des E205 zu verstehen, die sich in der theoretischen Polare mit zahlreichen Blasenwarnungen widerspiegelt, war diese Quälerei aus meiner Sicht notwendig. Bei den Windkanalmessungen werden diese Probleme sofort sichtbar, in der Praxis bei genau gebauten Modellen auch. Oft wird das E205 genommen, weil man das eben schon immer genommen hat. Und ich will Euch nun neben der reinen Windkanaldaten überzeugen, daß dieses Profil Mist ist und ihr besser das SD7037 nehmt. Viele Leute begnügen sich damit, daß ihr Modell fliegt. Mir geht es darum, daß ihr nicht nur wißt, DASS ein Profil Mist ist, sondern nach Nöglichkeit auch WARUM. Am Stammtisch abends kann jeder erzählen, daß das E205 Mist ist, weiß ich genau, tue ich ja selbet jeden zweiten Abend. Aber die Begründung, WARUM es Mist ist, ist doch deutlich überzeugender, abgesehen von dem windkanaltechnischen Beweis, daß es Mist ist.

Polaren

Das hier sind also die Messungen aus Princeton, beide ohne Turbulator. Die cw-Löcher, die die auftretenden Blasen beim E205 in die Polare geradezu reinreißen, sind mehr als offensichtlich. Deswegen haben E205 Flieger diese großen Probleme beim Durchzug im zügigen Gleiten. Man kann andrücken, aber das Modell fällt und fällt und fällt erstmal, ohne daß merklich Speed aufgebaut wird. Irgendwann geht es dann plötzlich los, aber bis dahin ist der SD7037 Kollege schon über alle Berge. Das Problem erinnert irgendwie an das Turboloch in den 70ern...

Leider wirken sich die Blasen nicht nur leistungsmäßig negativ aus, sondern auch im Flugverhalten. Die Fahrtaufnahme nach einem Abkipper dauert erheblich länger, das Modell ist im Langsamflug unruhiger und insgesamt reagiert das Modell gerade bei unruhigem Wetter sehr unangenehm, weil bereits kleine Störungen zu massiven Änderungen bei den laminaren Ablöseblasen im Umschlagsbereich führen. Leicht beeinflußbare Strömungsverhältnisse, die sich zudem massiv im Widerstand widerspiegeln sind der Killer schlechthin, wenn man um ein gleichmäßiges Handling des Modells bemüht ist. Deswegen gibt es kaum ein ungeeigneteres Profil für Anfängersegler als das E205!!!

 

Was lernen wir daraus?

Nun, ich hoffe, daß es euch was gebracht habt. Und merkt euch einfach, daß die "modernen" Profile nicht nur viel Leistung bieten, sondern auch erstaunlich vorsichtig mit der Strömung umgehen. Das bietet Raum für Fehler, den ihr aber bitte nicht ausnutzt!!! Ein E205 ist auf der Profiloberseite strömungstechnisch stärker ausgereizt, als die "modernen" Profile! Deswegen sollte ein E205 auf keinem "Normalmodell" landen. Ein ClarkY Modell fliegt heutzutage wieder ehrlicherweise ein ClarkY, wenn auch besser das ClarkY 10%. Oder ein S3021, ein SD7037, aber mit Sicherheit niemals das Eppler 205 oder E193!!!

Wer darüber hinaus einen alten E205 Flügel liegen hat, der nicht gut fliegt, sollte erstmal einen Turbulator bei 30-40% der Profiltiefe auf der Profiloberseite platzieren, das dürfte bis zum Winter helfen, in dem dann ohnehin der SD7037 Flügel entsteht... biggrin

 

Das Wort zum Sonntag

Die Profildesigner sagen immer: baut genau! Aber das haben sie auch schon zu Opas Zeiten gesagt. Auch ein Clark Y ist genau zu bauen! Eine FW-190 flog auch noch mit einem Loch im Flügel, einer Ju87 konnte man einen halben Flügel abschießen, was mehr ein Schönheitsfehler, als wirklich relevant war, sie haben sich um Märchen und Mythen wenig gekümmert und ersatzweise der Theorie eine Nase gedreht.

Fliegen tut eigentlich alles, auch Ziegelsteine. Erinnert euch immer daran, daß es auch so geht. Aber bedenkt auch, daß die vorberechneten Eigenschaften umso weniger zutreffen, je mehr ihr euch von den Vorgaben entfernt. Und das gilt für alle Profile, egal ob Clark Y, E205, Tigertanga oder Wonderbra. Ja klar, es gibt diese aerodynamischen Esel, denen keine Grobheit weh tut: NACA241X, Clark Y. ABER: Was für Leistungen erwartet ihr hier??? Die sind hier genauso variabel, nur merkt es hier niemand, weil der Modellentwurf um dieses Profil herum auch durch Grobheiten und Alltagsgeschehen gezeichnet ist. Bei einem Leistungsmodell, was ja von der Profilleistung lebt, würden Abweichungen erheblich auffallen, auch bei diesen Profilen!

Die Profile waren selten so unkritisch wie heute auf Baufehler, geringe Oberflächenrauhigkeit (Folienbespannung), fehlende Turbulatoren. Dank der Grenzschichtforschung vieler eifriger Aerodynamiker sind wir heutzutage in der glücklichen Lage, unkritische und doch leistungsfähige Profile zu haben. Wißt es zu schätzen, nutzt es aber bitte nicht zu sehr aus!