Projeti - was geht?

Tuning sinnvoll oder nicht, das ist die Frage

Das hier ist ein Novum, denke ich, denn wir führen jetzt gemeinsam die Berechnungen durch, deren Ergebnis ihr aus dem Artikel schon kennt. Ladet euch jetzt bitte erst das Werkzeug herunter, mit dem wir zusammen spielen werden. Die detaillierte Programmbeschreibung könnt ihr später in Ruhe durchlesen, alles Notwendige erkläre ich auch hier in diesem Artikel.


Das Programm zur Berechnung der Auftriebsverteilung

Die Berechnungen habe ich mit dem Nurflügel Programm von Michael Möller durchgeführt. Es handelt sich hierbei um ein Traglinienverfahren mit nur 8 Wirbeln, das von Truckenbrodt entwickelt wurde, um zu einem für die damalige Zeit angemessenen Rechenaufwand zu kommen. Damals gab es noch Räume, in denen viele viele hübsche Damen saßen, die nur eines taten: rechnen. Und die wollten unverständlicherweise irgendwann nach Hause und daher diese freiwillige Selbstbeschränkung auf Kosten der Genauigkeit. Manchmal sehnt man sich die guten alten Zeiten herbei. Das mit den 8 Wirbeln spielt heute also leider keine Rolle mehr, dennoch lassen sich mit diesem einfachen Verfahren die Grundlagen und Probleme eines Flügels erstaunlich präzise vorhersagen.

 

Die Berechnungen - die Anleitung!

Wir führen nur die beiden Rechnungen zum Auftriebsbeiwert durch, zu denen ihr die Bilder im Artikel finden könnt. Nach dem Download entpacken wir das Zip-File (WinZip 8.0) irgendwo auf der Festplatte. Das Programm kann direkt durch Doppelklick auf die Nur.exe gestartet werden. Die Reihe der Beispielmodelle habe ich um den Projeti ergänzt und die Datei öffen wir jetzt.

Das mit dem Öffnen solltet ihr schon alleine können, sonst solltet ihr euch entweder im Kindergarten oder im Seniorenheim anmelden. Ein billiger Witz auf Kosten bemitleidenswerter Randgruppen, ich weiß, aber für das Schreiben böser Emails habt ihr keine Zeit, weil es gleich weitergeht:

Das sind die Daten zum Projeti, die ich schon eingegeben habe. Finger weg von den Zahlen, die brauchen wir gleich noch! Kurze Erläuterung:

Eingabefelder Einheiten
y Spannweitenrichtung mm
x Rumpfrichtung mm
t Flügeltiefe mm
alpha Verwindung °
alpha-0 Nullauftriebswinkel °
CM0.25 Nullmomentenbeiwert, cM0 -
CaMax Maximalauftriebsbeiwert des Profils -
CaMin Minimalauftriebsbeiwert des Profils -
y1 Ruderklappenbeginn in Spannweitenrichtung mm
t1 Ruderklappentiefe innen mm
y2 Ruderklappenende in Spannweitenrichtung mm
t2 Ruderklappentiefe innen mm
beta Ruderausschlagswinkel °
 
Vorzeichenregeln
+ mehr Anstellwinkel = Nasenleiste angehoben °
- weniger Anstellwinkel = Endleiste angehoben °
+ Tiefenruder °
- Höhenruder °

Wehe es glaubt jemand, er wüßte jetzt Bescheid und dürfte herumspielen! Wir brauchen die Zahlen noch. CaMin=-0,1 habe ich nur wegen der graphischen Darstellung gewählt, ist natürlich ebenfalls -0,85 dank NACA0010. Darüber hinaus ist CM0,25 mit 0,000001 nur deshalb gewählt, damit das Programm irgendwas rechnen kann, trotz Verwindung=0°, nicht vorhandener Nullauftriebswinkeldifferenz sowie Ruderklappen im Strak. Spezis wissen Bescheid: CA=0, Fluggeschwindigkeit unendlich. Das Programm mag das nicht und rechnet nicht, bis wir uns zu einem beliebig erzeugten Moment durchringen können, was eine endliche Fluggeschwindigkeit erzeugt. Deswegen habe ich dieses absolut irrelevant kleine cM0 gewählt.

 

Vergleichsnurflügel - das erzwungene Glück?

Nun beginnen wir mit den Rechnungen. Zunächst nehmen wir uns den Flügel vor und zwingen ihm einen Auftriebsbeiwert auf. Leitwerkler kennen das, das Höhenleitwerk ist sowas wie die Frau des Flügels: Sie zwingt ihn zu seinem Glück oder anders gesagt zu seinem Auftriebsbeiwert. Bei einem Nurflügel sind wir zum Glück Single und können dem Flügel im freien Flug nichts aufzwingen, was er nicht von sich aus will. Darum scheren wir uns jetzt aber nicht und definieren das einfach mit Hilfe des Programms. Diesen Zwangszustand behalten wir aber im Hinterkopf!

Zur prinzipiellen Analyse des Problems, was wir beim Abreißverhalten eines Nurflügels zu erwarten haben, hat sich dieser Zwangszustand als als sehr aussagekräftig erwiesen. Empirisch mal wieder. Schlagt mich bitte nicht, aber wenn sich etwas als sinnvoll erwiesen hat, was man nur bedingt begründen kann, dann sollte man das einfach anwenden. Es ist nicht sonderlich förderlich, sich in Glaubenskriege stürzen und irgendeine halbseidene Begründung an den Haaren herbeizuzerren, nur um ein hilfreiches Verfahren anwenden zu dürfen. Potentiell betroffene Randgruppen nenne ich diesmal sicherheitshalber lieber nicht...

Zurück zum Programm: Wir wählen rechts oben in der Auswahl den Punkt Tragflächen-CA und klicken anschließend auf die Mappe Aerodynamische Beiwerte.

Freunde der internationalen Tastatur bekommen jetzt statt dieses schönen Bildes entweder eine nette Fehlermeldung präsentiert oder gar nichts angezeigt. In beiden Fällen dürfen die Betroffenen alle Kommas in den Eingabefeldern durch Punkte ersetzen oder umgekehrt, das hängt von dem System ab. Das Leben ist hart, ich weiß. Nachdem alle wieder da sind, klicken wir links auf Ca und sehen anschließend dieses Bild. Das hier ist also die Auftriebsbeiwertsverteilung des reinen Nurflügels ohne Klappenausschlag, wie ihr sie in der Aufwind gesehen habt. Ein Glück für uns, daß dieses kein realer Flugzustand ist. Ein Abriß bei 70% wäre sowas wie eine Garantie zur Beerdigung auf dem nächstgelegenen Acker. Deswegen widmen wir uns jetzt dem echten Flugzustand des Vergleichsnurflügels. Wer mehr zu den Details wissen will, liest sich bitte die komplette Programmbeschreibung durch.

 

Vergleichsnurflügel in Freiheit

Nun geht es zurück in die Mappe Tragflächendefinition, wo wir eben schon waren. Beim Ruderausschlagswinkel beta geben wir -10,4 (10,4°=7,8mm) ein. Wir haben also kräftig am Höhenruder gezogen und befinden uns im Langsamflug oder in einer Speedwende. Als Rechenmodus wählen wir jetzt Stabilitätsmaß, wo die Zahl 8 stehen sollte. Anschließend wieder auf die Mappe Aerodynamische Beiwerte klicken. Wir klicken wieder Ca an und schon haben wir das zweite Bild:

Fertig! Und das hier ist jetzt der wirkliche Flugzustand des Vergleich-Nurflügels. Bei gegenebener Schwerpunktlage und einem bestimmten Höhenruderausschlag ergibt sich ein rechnerischer Gleichgewichtszustand mit dem Auftriebsbeiwert ca=0,73. Wer mir nicht glaubt, darf gerne einen Blick in die Werte werfen, da steht es. Das hier ist der Langsamflug, wo die Strömung bei 35-40% der Spannweite abreißen würde.

 

Fazit

Jetzt wißt ihr, auf welch einfachem Weg die Bilder für den Artikel entstanden sind. Der eine oder andere hat vielleicht ein neues Werkzeug gefunden, mit dem der inzwischen auf dem Dachboden herumliegende und fürchterlich fliegende Nurflügel oder Schwanzlose in einem anderen Licht erscheint. Dann wäre wirklich viel gewonnen und mit einem richtig eingestellten Modell macht das Fliegen gleich doppelt so viel Spaß!

 

Randbemerkungen zur Schwerpunktlage

Die Schwerpunktmarken des Projeti liegen bei 270mm von der Rumpfspitze aus gemessen. Das Programm hat aber einen anderen Bezugspunkt, die virtuelle Flügelspitze. Deswegen stehen in der Projeti.fmd Datei die 195mm.

Der wirkliche Neutralpunkt liegt etwas weiter hinten, als es das Programm berechnet. Das liegt daran, daß 40° Pfeilung außerhalb des zulässigen Anwendungsbereiches des Programms liegen, aber Pssst! Wenn man außerhalb der Legalität herumrechnet, muß man sich Gedanken machen und das tun wir ganz kurz.

Das Programm wirft 202mm für den Neutralpunkt aus. Wir erwarten aus Erfahrung, daß der echte Neutralpunkt bei rund 204-208mm liegen dürfte. So wild ist die Differenz von 2-6mm nun wirklich nicht, aber beim Feintuning spielt das schon eine Rolle! Daraufhin haben wir gleich mal ausgiebig getestet, was so geht...
Die Schwerpunktlage 202mm (=278mm) habe ich mit einem Freund (Danke Bernhard!) zusammen erflogen. Der SWP geht ganz gut und das Abreißverhalten ist noch akzeptabel (Einstelldaten). Es stellen sich aber erste Anzeichen von nahender Instabilität ein und das zeigt, daß man hier schon recht nah am Neutralpunkt liegt. Das spricht ganz klar für die Richtigkeit meiner Interpretation.

 

 

© Hartmut Siegmann 2002 - Alle Rechte vorbehalten.
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