Northrop B-2A "Spirit"
Flap Management

Systemübersicht

Beginnen wir mit dem Übersichtsbild, damit jeder weiß, worüber wir uns unterhalten. Die Bezeichnungen für die Klappen stammen von Northrop, also bleiben wir einfach dabei und lassen üble Übersetzungsversuche darauf bewenden, sie einmal anzugeben.


Northrop B-2A: Übersicht der System- und Projektanteile (Bildquelle)

Mit der Lupe bewaffnet beginnen wir innen und laufen mal die Endleiste entlang und notieren, was wir so vorfinden:

  • GLAS Tail Surface (Gust Load Alleviation System= Böenabminderungssystem)
  • Fixed Trailing Edge (unbewegliche Endleiste)
  • Inboard Elevon (inneres Höhen- und Querruder)
  • Mid Elevon (mittleres Höhen- und Querruder)
  • Outboard Elevon (wer hätte das gedacht: äußeres Höhen- und Querruder!)
  • Split Rudder (Spreizklappe)

Was tut nun die "GLAS Tail Surface" in diesem System? Raumfahrer nennen so eine zentrale Klappe schlichtweg "Bodyflap", was ja irgendwie Sinn macht. Wenn ich aber betonen will, daß ich mal wieder der Überzeugung bin, intelligenter, besser und auch sonst dem Rest der Welt überlegen zu sein, nenne ich das GLAS, um darauf hinzuweisen, daß man eine aeroelastisch optimierte Auslegung gewählt hat, die schlichtweg zerbröselt, wenn man die Böen nicht mit Hilfe des Bordcomputers ausgleicht. Das ganze nennt man anschließend Böenabminderungssystem oder eben GLAS. Jedes moderne Verkehrsflugzeug (Airbus wie Boeing) fährt im übrigen zu dem Zweck schlagartig seine Spoiler aus, aber nungut. Wir haben wenigstens darauf hingewiesen, daß wir das drin haben... God bless America!
Naja, zugegeben, das GLAS ist schon etwas mehr und vor allem komplexer, weil neben den Biegeschwingungen auch Torsionsschwingungen usw. abgefangen werden. Das System ist schon ziemlich ausgeklügelt. Besonders die sehr aufwendige Systemanalyse des GLAS hat bei diesem Flugzeug eine ganz zentrale Rolle gespielt.

 

Fly-by-wire

Natürlich ist die B-2 ein Fly-by-wire System ohne mechanical Backup. Das heißt, der Steuerknüppel/Bedienorgane gibt über optische/elektrische Sensoren seine Stellung an den Boardcomputer (DFCS- Digital Flight Control System) weiter, der daraus ein Signal für die entsprechenden Hydraulikventile generiert. Die Hydraulikventile werden also elektrisch betätigt. Infolge des elektrischen Impulses bewegt sich der entsprechende Actuator, auf deutsch Stellmotor... Es gibt keine Überbrückungsmöglichkeit des Hydraulischen Systems. Im Falle eines Druckverlusts aller Hydrauliksysteme ist es Zeit, die Funktion des Schleudersitzes zu überprüfen... ;-)

Airbus hat zum Beispiel noch ein mechanical backup (Seile) auf Seitenruder und Höhenflosse (Trimmable Horizontal Stabilizer), für den Fall eines Totalausfall des FBW Systems. Aber diese Seile betätigen auch nur das entprechende Servoventil, nicht die Klappe selbst! Beim Versagen aller 3 Hydrauliksysteme kann man nichts tun, auch beim mechanical backup nicht! Der Ausfall aller Hydrauliksysteme ist viel wahrscheinlicher (10E-9) als der Ausfall des FBW Systems mit 5 Boardcomputern (10 E-15!), daher könnte man die Seile auch weglassen und genau das ist bei der B-2 der Fall. Denn wenn alle Flugcomputer aussteigen, segelt die Kiste zwar neutralstabil weiter, aber wehe, man betätigt eine Klappe, dann geht es abwärts...

 

B-2 Neutralstabil oder instabil?

Nach einigen Quellen heißt es, die B-2 sei neutralstabil eingestellt, nach anderen instabil. Das würde heißen, daß in beiden Fällen Schwerpunkt (SWP) und Neutralpunkt (NP) recht nah beieinander liegen, da die B-2 kein Überschallflugzeug ist. Es geht also nur darum, ob der SWP minimal vor oder minimal hinter dem NP liegt. In beiden Fällen braucht man aber das DFCS für die Steuerung.

Um die Hochachse stellt sich bei einem um die Querachse neutralstabilen Nurflügel im unteren ca-Bereich eine Instabilität um die Hochachse ein. Anders ausgedrückt: Die Dämpfung um die Hochache durch die Pfeilung nimmt ab, dadurch schwingt sich der Pfeil leicht um die Hochachse auf (pendeln). Das dürfte der Grund für die im Normalflug stets offenen Split Rudder sein. Bei instabilem Flug träte das Problem aber auch auf, daher müssen wir noch andere Aspekte diskutieren.

Eine sehr instabile Einstellung (großes negatives Stabilitätsmaß im US) wäre unsinnig, denn die B-2 ist mit ihren 53m Spannweite ohnehin träger als ein toter Wal, der auch instabil nicht die Wendigkeit einer Maus erreichen würde. Also fallen die bei Kampfjets vorhandenen Argumente wie Wendigkeit und Neutralpunktwanderung durch Übergang Unterschall-Überschall (25%->50%) weg, mithin alle Gründe für eine vollkommen instabile Konfiguration im Unterschall. Im ÜS fliegen Kampfjets stabil, bei denen ist es eine Frage der Optimalität, ob man mehr der ÜS oder US Auslegung Vorrang einräumt.

Bei größeren Flugzeugen ist die Aeroelastik so kompliziert, daß zum Beispiel alle Passagierjets mit starren Rechenmodellen gesteuert werden. Ein A320 ist ebenso wie eine 737 so steif, daß das gut übereinstimmt. Schon eine A330 zum Beispiel wäre mit einem aeroelastischem Flugführungssystem etwas besser bedient, eine 747 in jedem Fall. Damit wollte ich anmerken, daß eine ohnehin sehr elastische Struktur wie die der B-2 im Bereich der Avionik bereits dermaßen viele Probleme erzeugt (GLAS), daß eine neutralstabile Einstellung absolut vorteilhaft wäre.

Da aus den besprochenen Gründen eine extrem instabile Konfiguration unsinnig ist (mehr Widerstand), wird die B-2 entweder neutralstabil oder gerade soeben instabil eingestellt sein. Fragt sich nur, wann sie was ist!

Was nun? Ich meine: beide Fraktionen haben Recht! Warum?
Lokale Überschallgebiete (superkritischer Flügel) führen zu leichten Neutralpunktwanderungen, der verschiebt sich etwas nach hinten. Eine im reinen subsonischen Flug leicht instabile Konfiguration wird damit neutralstabil oder sogar stabil, weil der Neutralpunkt etwas wandert!!! (SWP lassen wir mal da liegen, wo er ist)

Da die B-2 einen superkritischen Flügel hat, nutzt man das aus, denn der hat im reinen US zu viele Nachteile (Widerstand). Der Punkt der Auslegung (überkritsiche Flügelumströmung) muß optimale Flugleistungen bieten und das ist in der neutralstabilen Einstellung der Fall. Fliege ich aber rein subsonisch, fliege ich damit zwangsläufig ein wenig instabil!

Natürlich kann man Sprit umpumpen, daß sich die jewilige optimale Trimmung ergibt, aber schon kleinere Schwankungen der Fluggeschwindigkeit/Dichtehöhe erzeugen leichte NP Verschiebungen. Und wie anfangs erwähnt, liegen Neutral- und Instabilität sehr nah beieinander. So schnell kann man gar nicht pumpen, wie sich das ändert. Daher denke ich, daß es nicht viel Sinn macht darüber zu streiten, ob die B-2 nun neutralstabil oder instabil fliegt, sie tut mit extrem großer Wahrscheinlichkeit beides! Die superkritische Basiseinstellung dürfte vermutlich neutralstabil sein.

 

Die einzelnen Klappen

GLAS Tail Surface
Wie der Name schon sagt ist die Klappe dazu da, um die Struktur zu entlasten, wenn Böen, Scherwinde und sonstige Unwägbarkeiten ihr Unwesen am Flügel treiben. Man kann damit also lokal am Body auf die Schnelle den Auftrieb reduzieren oder erhöhen. Die Folge ist, daß man die Struktur schwächer auslegen darf, als ohne.

Abgesehen davon wird die GLAS Klappe auch als Trimmklappe verwendet, wenn die Speedbrake ausfährt, wie man hier rechts im Bild gut erkennen kann. Das ist auf allen Fotos zu erkennen, wenn die Split Rudder als Speedbrake verwendet werden.

Darüber hinaus ist unklar, ob die Glas noch weitere Funktionen besitzt, also auch als reguläres Höhenruder verwendet wird. Aufgrund der negativen Einflüsse auf die Auftriebsverteilung macht es meiner Meinung nach keinen Sinn, weswegen ich davon ausgehe, daß die Funktion auf das gesagte beschränkt ist.
(Bildquelle: PJB)


Inboard/Mid Elevon

Es wird hier etwas unübersichtlich, denn die Funktionen der 6 Elevons konnten nicht eindeutig auf den Fotos identifiziert werden. Eines ist aber in jedem Fall nachgewiesen: Alle 6 Klappen zeigen sowohl symmetrische als auch asymmetrische Mischanteile!

Jetzt aber Vorsicht mit voreiligen Schlüssen! Wir hatten uns eben über das Böenabminderungssystem unterhalten. Das beschränkt sich natürlich nicht nur auf die GLAS Klappe, sondern auch auf alle 6 Elevons! D.h. je nach Bedarf werden sie neben der primären Steuerfunktion auch noch von diesem System betätigt. Nach den Bildern und nach meinen eigenen Auftriebsverteilungsrechnungen macht eigentlich nur folgende Aufteilung Sinn:

  • Inboard+Mid Elevon Höhenruderfunktion, geringer Querruderanteil, GLAS,
  • Outboard Elevon Querruderfunktion, GLAS

Der Grund für die Zuordnung liegt darin, daß das Outboard Elevon in einem Bereich sehr geringer Flügeltiefe liegt. Übernähme es HR-Funktion, so würde beim "Ziehen" (Klappe schlägt nach oben aus) der ohnehin schon geringe Auftrieb weiter reduziert - Abreißgefahr! Zugleich wird dadurch der maximal fliegbare Anstellwinkel und maximale Auftrieb reduziert. Falls es noch nicht aufgefallen sein sollte: Der Flügel besitzt keinerlei Hochauftriebshilfen!!! Damit ist sehr sicher davon auszugehen, daß das Outboard Elevon ausschließlich dem Querruder und GLAS zur Verfügung steht. Insofern ist es weniger Elevon als vielmehr Aileron (Querruder).
Auf den meisten Fotos erkennt man identische Ausschläge von Inboard und Mid Elevon, nur ganz selten unterschiedliche Ausschlagswinkel beider Klappen. Das wiederum paßt ganz gut zu meinen Rechnungen, die zeigen, daß die Verwendung beider Klappen als Höhenruder Sinn macht, allerdings mit leichtem Schwerpunkt auf dem Inboard Elevon.


Outboard Elevon

Aus den bereits angegebenen Gründen wird das Outboard Elevon mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausschließlich als Querruder verwendet und zusätzlich noch vom GLAS betätigt.
Die lokale Auftriebsbelastung ist hier wirklich sehr hoch, was auch an einem Bild (suche ich noch raus) sehr schön zu sehen ist, wo sich im Knick zwischen Mid und Outboard Elevon Kondenswölkchen ausbilden.
Aufgrund seines großen Hebelarms ist die Bedeutung des Outboard Elevon für das GLAS nicht zu unterschätzen. Wenn man zudem davon ausgeht, daß das Split Rudder keine asymmetrischen Ausschläge erzeugt (siehe unten), kann man davon ausgehen, daß das Outboard Elevon in jedem Fall vom GLAS mitbetätigt wird.

 

Split Rudder
Man kann viel mit diesen Spreizklappen tun, fragt sich nur was? Frage Nummer eins war deswegen für mich, was mechanisch möglich ist.

Sind sie vielleicht mechanisch miteinander gekoppelt wegen des Fail-Safe Prinzip? Eine eindeutige Antwort ist leider nicht möglich, denn die Fotos lassen nur den Schluß zu, daß keine feste symmetrische Kopplung zur Struktur erfolgt. Eine schwimmende Kopplung beider Klappen wäre aber extrem unwahrscheinlich, so daß ich davon ausgehe, daß beide Klappen einer Spreizklappe von einem eigenen Satz Servomotoren betätigt werden. Wir sehen bei dieser abgestellten Maschine ohne Hydraulikdruck ganz klar, wie die Klappen stehen. Also liegt keine direkte mechanische Kopplung vor, man könnte die Klappenhälften eines Splitrudders also auch asymmetrisch betätigen. Könnte. Es geht nur um die theoretischen Möglichkeiten. Was ist, ist eine andere Frage, zu der wir gleich kommen.

Wo wir gerade am Boden sind, bleiben wir doch da und schauen uns mit einem leichten grausen die Schäunentore an, die uns entgegengähnen. Gewaltig.

Jetzt wissen wir auch, daß die sich über 80° weit aufklappen lassen, vielleicht 85°. Wenn wir also mal wieder etwas zu schnell im Endanflug unterwegs sein sollten, können wir ganz ruhig bleiben, wir ziehen einfach die Lufthandbremse und schon sollten wir stehen... *g*

Damit ist eine ganz wichtige Funktion der Split Rudder auch schon klar: Speedbrake.

Rechts haben wir den Fall, über den wir uns gerade unterhalten haben: gemäßigter Einsatz der Speedbrake im Landeanflug.

Die Stealth Anforderungen verhindern den Einsatz von klassischen Hochauftriebshilfen wie Nasenklappen, Spaltklappen. Nur Fowler-Klappen wären halbwegs stealthtauglich, leider kaum nurflügeltauglich! Nun, bei so einem gering gestreckten Nurflügel wäre das mehr als voll "Tiefe"! So viel Höhenruder haben wir gar nicht, um das Nickmoment einer großen Fowlerklappe jemals ausgleichen zu können. Deswegen muß auf eine einigermaßen momentenneutrale Bremshilfe zurückgegriffen werden.

Wir sind jetzt mitten im Flug und latschen in unser Seitenruder, denn das sagt ja schon der Name: Split Rudder. So sieht das dann von hinten aus.

Wer häufig Seitenruder tritt, fällt nach der Landung unangenehm auf, wenn der Spritbulle zum Nachtanken kommt. Da passen dann ein paar Liter mehr rein, als ohnehin schon...

Aber wenn man bedenkt, daß man im Split Rudder gleich mehrere Funktionen gewichtsgünstig kombiniert hat, ist das in der Summe doch eine der günstigsten Varianten. Abgesehen davon stehen die Split Rudder im Normalflug immer etwas offen, siehe Neutralstabilität, und helfen damit noch ein paar weitere Probleme zu lösen...

Die letzte offene Frage, ob die Hälften eines Splitrudders auch asymmetrisch verwendet werden, kann ich leider nicht beantworten. Ich habe aussschließlich Flugfotos entdeckt, die symmetrische Ausschläge der Klappenhälften zeigen.


Bleibt mir nur noch an dieser Stelle Reinhold Stadler ganz herzlich für seine tatkräftige Unterstützung zu danken! Die interessanten und ergiebigen Diskussionen rund um die B-2 haben die Artikel in dieser Form erst möglich gemacht! Ein großes Dankeschön! Es hat wirklich sehr viel Spaß gemacht!!!

 

© Hartmut Siegmann 2000