Literaturecke

Buchrezension »Die Pfeilflügelentwicklung in Deutschland bis 1945«

Book Cover

Dieses Buch, herausgegeben von Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Ulrich Meier, ist inhaltlich eine kleine Überraschung: Es hält weit mehr bereit, als der Titel verspricht. Wie vom Titel und der Buchreihe zu erwarten ist, wurden für das Buch viele wissenschaftliche Beiträge der »AVA Göttingen« und anderer Institute aus den 30er und 40er Jahren zusammengetragen. Die Quellenangaben sind ausführlich und umfangreich unter Angabe des jeweiligen Archivs. Dieses Buch erlaubt aufgrund der umfassenden Quellenangaben weitergehende Recherchen. Insoweit scheint dieses Buch zunächst ein typisches Werk der Buchreihe »Die deutsche Luftfahrt« zu sein, aber irgendetwas ist anders. Nur was?

Bereits die Liste der Autoren liest sich vielversprechend: Burghard Ciesla, Hans Försching, Hans Galleithner, Werner Heinzerling, Bernd Krag, Hans-Ulrich Meier (Hrsg.) und Helmut Schubert. Im Endeffekt ist es den Autoren gelungen, sehr anschaulich den Weg von der Pfeilflügeltheorie von Adolf Busemann, präsentiert auf dem 5. Volta-Kongress in Rom 1935, über experimentelle Befunde, den Flugversuch, bis hin zur Anwendung darzustellen. Mit diesem Wissen im Hintergrund betrachtet man transsonische Pfeilflügel an modernen Verkehrsflugzeugen und das Design der Überschallflugzeuge aus einem anderen Blickwinkel. Diejenigen, die Luft- und Raumfahrttechnik studiert haben, haben im Studium die Theorien und Gesetze gelernt, wie man Pfeilflügel auslegt und berechnet. In diesem Buch sind die Anfänge dieser Geschichte niedergeschrieben.

Der Aufhänger für die Themen sind Archiv-Fundstücke, Diagramme, Fotos, Dokumente oder Patente, die zahlreich im Original abgebildet sind. Ausgehend von diesen Unterlagen wird die Geschichte und technische Bedeutung einer Theorie oder Erfindung erläutert und das reicht bis in die Neuzeit. Durch die zahlreichen Windkanalmessungen, deren Diagramme abgebildet sind, eignet sich das Buch sogar für numerische Grundlagenuntersuchungen, wie an einem aktuellen Beispiel gezeigt wird. Dazu gibt es flankierend wissenschaftliche Untersuchungen überwiegend aus den 30er bis 40er Jahren, die zum Teil in den NACA Reports als Übersetzung ins Englische nachzulesen sind. Wie und warum eine dieser Übersetzungen einen bis heute wichtigen Patent-Streit beendet hat, ist neben vielen anderen spannenden Geschichten nachzulesen.

Ausgehend von der Entdeckung unterschiedlicher Phänomene und Gesetze, zum Beispiel der »Flächenregel«, die Erfindung der Krüger Klappe, der Grenzschichtzaun von Liebe, das superkritische Profil und die Patent Streitigkeiten in den 80er Jahren, die aus der Rivalität von Boeing und Airbus motiviert waren, gibt es spannende Technikgeschichte und Geschichten rund um den Pfeilflügel bis ins Jahr 2005 zu lesen. Es werden auch die Entwürfe von Lippisch und Horten im Rahmen des Delta Konzepts erwähnt und technisch kurz erläutert. Eine Betrachtung der Flugkörper und Missiles der 40er Jahre runden das Kapitel der angewandten Überschall Technologien ab.

Das in diesem Buch dargestellte Wissen bildet bis heute die Grundlage für den Stand der Technik des Pfeilflügels. Und damit sind wir wieder am Anfang angekommen. Dieses Buch beginnt in den 30er Jahren und erläutert die Auswirkungen der Untersuchungen der 40er Jahre auf die Flugzeug Entwicklung bis in die 80er Jahre hinein. Der erste Teil des Untertitels beschreibt das Buch vielleicht am Treffendsten: »Die Geschichte einer Entdeckung...«

Fazit: Kurzweiliges Lesevergnügen für technisch Interessierte mit umfangreichen technischen Unterlagen. Sehr empfehlenswert!

Deutsche Nationalbibliothek: Inhaltsverzeichnis (pdf)