Bild 1: Vorflügel am Fieseler Fi-156 "Storch" |
So, nun kommen wir zu einem eher vernachlässigten Kapitel im Modellbaubereich, den Vorflügeln. Bevor wir uns den ganzen Details zuwenden, möchte ich erstmal anhand von ein paar Bildern vom Fieseler "Storch" Fi-156 kurz zeigen, über was wir uns hier unterhalten.
Bild 1 zeigt das Objekt der Begierde, am Fieseler Storch, wohl dem ersten "modernen" STOL Flugzeug schlechthin. Wer das Flugzeug je hat fliegen sehen, wird sicher der Auffassung sein, daß das auch heute noch zutrifft, so auch ich. Bei Wind (Aero99 FN) legte ein Storch im Flightdisplay eine solche Kurzlandung hin, daß die meisten 6,5er Modelle mit Sicherheit eine größere Landerollstrecke haben! Wahnsinn. Gut, hier arbeiten im Endeffekt Spaltklappen sehr effizient mit einem festen Vorflügel zusammen. Aber wir sprechen hier nur über die Vorflügel.
Was bringt uns ein Vorflügel prinzipiell? Ein Vorflügel bewirkt so eine Art Vorbeschleunigung der Strömung, wodurch die nachfolgende Geschwindigkeitsanstieg durch das Profil weicher wird und der Abfall zum Profilende hin nicht so stark wird. Deswegen erfolgt die Strömungsablösung später als ohne Vorflügel. Dadurch liegt die Strömung länger als normal an, wir können also höhere Anstellwinkel und Auftriebe erzielen. Ganz grob können wir davon ausgehen, daß der maximale Anstellwinkel des Flügels um 5° bis 12° und der maximale Auftriebsbeiwert um bis zu 40% erhöht wird.
Das ganze vergrößert leider auch etwas unseren cw, vergleichsweise aber erstaunlich wenig, denn abhängig vom Anstellwinkel reduziert sich der Durchfluß durch den Spalt zwischen Flügel und Vorflügel, wodurch der Widerstand weniger ansteigt, als sich zunächst vermuten ließe.
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Damit wir einen groben Überblick über die Konstruktion bekommen, sehen wir uns den Profilschnitt (Bild 2) an: Zur Funktion des Vorflügels vergegenwärtigen wir uns bitte noch einmal, daß im Langsamflug der Staupunkt auf der Profilunterseite liegt! Das heißt, die Strömung muß von unten um die Nase von unten herumlaufen. Hier bildet sich deswegen normalerweise die sogenannte Saugspitze (=lokal sehr hohe Strömungsgeschwindigkeit) aus, die irgendwann zum Strömungsabriß direkt an der Nase führt. Das ist der Strömungsabriß, wie wir ihn kennen, unbeliebt, weil schlagartig.
Was macht nun ein Vorflügel? Wir betrachten erstmal nur den Vorflügel: Die Anströmung erfolgt wegen des Flügels dahinter im Bereich hoher Anstellwinkel ziemlich genau von unten, auf die Sehne des Vorflügels bezogen also ziemlich genau von vorne. Was passiert? Es bildet sich der allseits bekannte Überdruck auf der Unterseite des Vorflügels aus.
Nochmal ein Blick zurück: Was war das Problem im Langsamflug? Die Saugspitze, die aufgrund der Strömung um die Nase erzeugt wird. Was heißt Saugspitze? Starker Unterdruck. Was tut der Vorflügel? Er erzeugt genau da, wo normalerweise ein starker Unterdruck (Saugspitze) herrscht, eine Druckerhöhung, das heißt er vermindert den Saugspitzeneffekt! Der hat uns ja bisher sicher daran gehindert, noch größere Anstellwinkel zu realisieren.
Halt! Nochmal durchlesen und nachdenken! Falls es noch nicht klar sein sollte, hier ein schematisches Bild der Verhältnisse im Langsamflug:
Aber was ist im Schnellflug??? Nun, die Strömung wird ja durch den Sog auf der Hauptflügeloberseite in einem gewissen Umfang immer durch den Spalt hindurchgesogen, aber es werden sich wegen des geringen Anstellwinkels zunehmend stärkere Wirbel an der Vorflügel"nase" ausbilden, die auf die Oberseite gesogen werden. Wir bekommen also eine stark turbulente Strömung auf der Oberseite des Hauptflügels. Auf der Unterseite des Hauptflügels bekommen wir aufgrund des Druckanstiegs hinter dem Vorflügel ebenfalls eine turbulente Umströmung. Der Vorflügel bewirkt eine garantiert vollturbulente Umströmung des Flügels im Schnellflug, allerdings mit stärkerer Turbulenz als normalerweise.
Schade, es wäre zu schön gewesen. Das ist der cw Zuwachs, der uns den Spaß etwas versaut. Aber so groß ist der anscheinend gar nicht, wie mir ein Pilot erzählte, an dessen A310 die Nasenklappen nicht mehr einfahren ließen: Er hat seinen Flug normal durchgeführt und war nur geringfügig langsamer unterwegs, als wenn sie eingefahren gewesen wären.
Wenn man sich die Skizze im Detail anschaut, erkennt man eine nach oben reduzierte Spaltbreite zwischen Vorflügel und Flügel. Schonmal was von Bernoulli gehört? Falls ja, sollte alles klar sein. Du kannst wegsurfen, ohne weiter was zu verpassen. Die anderen lauschen weiter andächtig (hoffe ich jedenfalls): Bei einem sich verengenden Strömungskanal erhält man eine Geschwindigkeitszunahme und zugleich einen Druckabfall. Die Strömung wird also langsam auf das vorbereitet, was da kommt: nämlich das Ende des Vorflügels. Anders gesagt: das Ende des Gebietes, indem wir eine künstliche Druckerhöhung erzeugt haben. Damit ist eine kleine Druckabminderung empfehlenswert, damit wir einen etwas kontinuierlicheren Übergang auf das weitere Geschwindigkeitsprofil bekommen.
So, ich hoffe wir haben uns verstanden. Fragt sich nur, lohnt sich der Einsatz von Vorflügeln am Modell? Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich mein Flugboot noch nicht mit Vorflügeln ausgestattet habe, hier wäre es sicher eine lohnende Investition. Also kann ich leider nicht mit Erfahrungswerten zu einer optimalen Auslegung dienen. Aber wer sich im groben und ganzen an die Verhältnisse aus Bild 1 hält, sollte keine allzu großen Überraschungen erleben. Es gibt im übrigen einen Haufen Do27 Nachbauten mit Vorflügeln dran, bei den Jungs würde ich mich im Zweifelsfall erkundigen. Wer mal "Storch" Nachbauten im Flug gesehen hat, weiß, daß diese Vorflügel im Modellflugbereich exzellent arbeiten sollten.
© Hartmut Siegmann 1998-2001
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